wochenschnack
: Krank auf der Parkbank

Obdachlose sind öfter krank, vor allem psychische Probleme sind verbreitet. Die Hilfesysteme sind darauf nur bedingt eingerichtet

Ort der Hoffnung: Zimmer in der Krankenstube der Caritas, Hamburg- St. Pauli.Dort werden behandlungsbedürftige Obdachlose versorgt Foto: Hannes von der Fecht

Vom Staat gewollt

Psychisch Kranke haben schon Jahre vorher auf den Ämtern ein Problem, weil sie, verhaltensauffällig wie sie sind, gern abgewiesen und sanktioniert werden. So landen sie dann auf der Straße, während sich die Jobcenter-Mitarbeiter*innen freuen dürfen, dass sie ihre vorgeschriebene Sanktionsquote wieder erfüllt haben.

Das Problem der Obdachlosigkeit in diesem reichen Land ist staatsgewollt. L!nk, taz.de

Im Hamsterrad

@L!nk Das sehe ich ganz genauso. Letztendlich dient die Angst davor, auf der Straße leben zu müssen und aus dem deutschen („Sozial-“)System zu fallen, dazu, dass wir uns in dem Hamsterrad der Erwerbstätigkeit bis zur völligen Erschöpfung ausbeuten lassen. Und wenn wir dann doch nicht mehr können, krank werden und auf Leistungen der Rentenversicherung, Krankenkassen oder Jobcenter angewiesen sind, dort demütig, voll Scham , unsere eigene Schuld an der misslichen Lage einsehend, in geduckter Haltung um Hilfe bitten.

Ein Recht auf Obdach, gesundheitliche Versorgung und Menschenwürde setzt in D die Pflicht voraus, sich genau an die Spielregeln zu halten. Egal, wie kontraproduktiv oder unzumutbar sie für die Einzelnen oder die Gemeinschaft sind. Und wer das nicht kann oder die Regeln nicht begreift, oder eben den falschen Pass hat und gar nicht erst mitspielen darf, dem wird auch nicht geholfen.

Wo kämen wir auch hin, wenn es ein Recht auf ein glückliches Leben gäbe und niemand vor dem sozialen Abstieg Angst haben müsste? Am Ende würden sich die Millionen Menschen in diesem Land noch weigern, täglich in ihr Hamsterrad zu steigen, und sie würden sich solidarisch zusammenschließen! Sie würden die Machtverhältnisse hinterfragen, soziale Gerechtigkeit, eine Deckelung von Kapital und Macht der paar Reichen und ein menschenwürdiges Leben für alle fordern. Dieses Szenario muss natürlich mit aller Macht des Staates unterbunden werden.

Werden wir also weiterhin in einem System verharren, in dem die Angst des Einzelnen vor der persönlichen Verschlechterung den Antrieb darstellt? Oder wird sich doch irgendwann die unbeugsame Forderung nach einem Recht auf ein lebenswertes Leben und eine soziale Verbesserung für alle durchsetzen? Was hätten wir zu verlieren?

„Wir haben nichts zu verlieren, außer unserer Angst!“, stellte Rio Reiser schon 1972 fest. Clara 0815, taz.de

Unzumutbar

In Frankfurt am Main sehe ich fast täglich Flaschensammler und auch psychisch kranke Menschen.

Die psychiatrische Klinik, in der ich mittlerweile zwei Mal war, ist unzumutbar. Das deutsche Sozialsystem verdient angesichts des sonstigen Reichtums im Lande seinen Namen nicht, selbst wenn andere Länder gar keins haben. shashikant, taz.de

Dysfunktionale Beziehungen

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Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde zumindest dabei helfen, dass Menschen nicht auf der Straße landen, nur weil sie mal ein paar Wochen nicht den Briefkasten aufmachen und es nicht schaffen, einen Antrag auf Hartz IV zu stellen.

Außerdem bin ich dafür, die grundlegende Gesundheitsversorgung solidarisch mit Steuermittel zu finanzieren, damit alle Menschen immer versichert sind. Schafft es derzeit jemand nicht, einen Antrag auf Hartz IV zu stellen, dann sammeln sich auch schnell noch zusätzliche Schulden bei der Krankenversicherung an. In den letzten Jahren wurden solche Schulden immer wieder gestrichen, weil die Krankenkassen Überschüsse erwirtschaftet haben, aber eine dauerhafte Lösung für das Problem ist dies trotzdem nicht.

Das Problem besteht ja doch darin, dass Menschen erst zum „Fall“ werden müssen, dass sie erst durch die Löcher im „sozialen Netz“ fallen müssen, damit sich dann Politiker*innen damit profilieren können, „sozial“ zu sein und ihnen zu „helfen“.

Wenn dann zumeist doch eher die kapitalistische Gesellschaftsordnung das ist, was krank macht, ist es zynisch, es als „Hilfe“ zu sehen, Menschen einfach so in jene dysfunktionalen Beziehungen zu reintegrieren. Bestenfalls ist das eine Sisyphusarbeit. Mich würde so ein Job selbst kaputtmachen. Hannibal Corpse, taz.de