Kommentar Urteil zu türkischer U-Haft: Heftiger Schlag für Erdoğan

Das Straßburger Gericht für Menschenrechte verurteilt die Inhaftierung des kurdischen Politikers Demirtaş. Das könnte weitreichende Folgen haben.

Demonstranten halten ein Bild mit Selahattin Demirtaş hoch

Solidaritätskundgebung für den HDP-Politiker Selahattin Demirtaşim Juni in Ankara Foto: reuters

Mit seinem Urteil zur Unrechtmäßigkeit der seit zwei Jahren andauernden Untersuchungshaft für den prominentesten kurdischen Politiker der Türkei, Selahattin Demirtaş, hat der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine politische Bombe in der Türkei gezündet.

Das Urteil zu Selahattin Demirtaş ist ein Präzedenzurteil und hat Auswirkungen für etliche weitere Abgeordnete der kurdisch-linken HDP, die alle wegen angeblicher „Terrorunterstützung“ in U-Haft sitzen. Es ist ein heftiger Schlag für die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, sich politischer Konkurrenten dadurch zu entledigen, sie unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung ins Gefängnis zu stecken und so aus dem politischen Geschehen auszuschalten.

Außer Demirtaş sitzen über hundert weitere gewählte Vertreter der HDP sowohl aus dem nationalen Parlament als auch gewählte Bürgermeister oder kommunale Abgeordnete in Untersuchungshaft, was nicht nur die einzelnen Personen in ihren Rechten verletzt, sondern auch die Arbeit der Partei erheblich schwächt.

Erdoğan hat die politische Tragweite des Straßburger Urteils sofort erkannt und es kurzerhand für die Türkei als „nicht bindend“ erklärt. Mit anderen Worten, Demirtaş wird nicht aus der Untersuchungshaft entlassen und alle anderen kurdischen Politiker auch nicht. Das ist natürlich ein gravierender Affront nicht nur für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sondern auch für den Europarat und die Europäische Union insgesamt.

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Wenn es ans Eingemachte geht, sind Erdoğan die von der Türkei unterzeichnete Deklaration des Europarats und die daraus resultierende Rechtsprechung des EGMR völlig gleichgültig. Brüssel muss darauf reagieren. Offenbar sind die Entspannungssignale, die die türkische Regierung in Richtung Europa sendet, nicht viel wert. Beim politischen Geben und Nehmen zwischen der EU und der Türkei sollte die Ablehnung des Straßburger Urteils eine wichtige Rolle spielen.

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