Vertrauen ist gut, Kontrolle ist ...

Eine Beschwerdestelle für Rassismus oder Gewalt seitens der Polizei muss unabhängig sein, Ermittlungs-
befugnisse und ausreichend Personal haben. Zu diesem Schluss kommt eine Expert*innendiskussion

Von Darius Ossami

Der Tod von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam und die rassistische NSU-Mordserie haben das Vertrauen in Polizei und Justiz erschüttert. Menschenrechtsorganisationen fordern, unabhängige Instanzen einzurichten, um Beschwerden wegen Fehlverhaltens bei der Polizei oder institutionelle Formen von Rassismus oder Diskriminierung anzuzeigen und ahnden zu können.

Auch Berlins Landesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es einen „Bürgerbeauftragten“ für Verwaltung und Polizei in Berlin geben soll. Damit sollen die Bürgerrechte und die „Akzeptanz polizeilichen Handelns“ gestärkt werden, heißt es wolkig. Doch wie viele Menschen dort arbeiten und welche Befugnisse die Stelle haben soll, ist unklar. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP Berlin) und der Arbeitskreis kritischer JuristInnen an der HU haben deshalb am Samstag ExpertInnen in die Humboldt-Universität eingeladen, um im gut gefüllten Senatssaal über die geplante Ombudsstelle zu diskutieren.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordert, solche Beschwerdestellen müssten von Polizei und Innenministerien unabhängig sein. Meist ist das jedoch nicht der Fall. Als „zahnlos“ bezeichnete am Samstag deshalb Eric Töpfer vom Deutschen Institut für Menschenrechte die in manchen Bundesländern bereits vorhandenen Beschwerdestellen und Landespolizeibeauftragten, da sie meist keine eigenen Ermittlungsbefugnisse hätten, sondern auf „einvernehmliche Lösungen“ hinarbeiten sollen: wie in Rheinland-Pfalz, das der Berliner Koalition als Vorbild für die Stelle des oder der hiesigen Polizeibeauftragten dient.

Töpfer kritisiert, dass die dortige Stelle dem Innenministerium unterstellt ist, kaum eigene Befugnisse hat und mit gerade mal zwei MitarbeiterInnen rund hundert Beschwerden pro Jahr bearbeitet. 40 Prozent davon kämen zudem von PolizistInnen selber, die sich nicht über Mobbing oder Diskriminierung beschwerten, sondern über unerwünschte Versetzungen oder ausbleibende Beförderungen.

Als positives Beispiel lobt Töpfer das Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) in Hamburg, dessen über 40 MitarbeiterInnen selbst strafrechtlich ermitteln können. Von 2011 bis 2015 wurden dort jährlich zwischen 189 und 262 Verfahren gegen PolizistInnen geführt, zumeist wegen Körperverletzung im Amt. Dennoch kam es nur in weniger als zehn Fällen zu Verurteilungen. Ähnlich mager sieht es bei den Ermittlungen gegen PolizistInnen im Zuge des G20-Gipfels aus.

Vorbild USA

Die USA sind in dem Bereich schon weiter. Die resolute Juristin Susan Hutson – als Expertin zur KOP-Diskussionsrunde geladen – arbeitet seit 2010 beim Independent Police Monitor in New Orleans, einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle. Die Stelle wurde von der Bevölkerung gefordert und schließlich nach dem Hurrikan „Katrina“ 2009 eingerichtet, nachdem immer wieder Menschen von der Polizei erschossen worden waren.

Nicht das Innenministerium, sondern eine Kommission von BürgerInnen bestimmt über die Behörde. Hutson und ihre KollegInnen werten die Beschwerden von BürgerInnen und PolizistInnen aus, analysieren sie und prüfen, welche Maßnahmen sie den Polizeikräften empfehlen, etwa zur Verringerung von Diskriminierung. Sie haben Zugriff auf Polizeiberichte, Aufnahmen von Bodycams und interne Beurteilungen über auffällig gewordene PolizistInnen. So konnten sie etwa analysieren, dass 99 Prozent der verhafteten Minderjährigen Schwarze waren, die jedoch nur 60 Prozent der Bevölkerung von New Orleans ausmachen. Die von BeamtInnen ausgeübte Gewalt habe zwar nicht abgenommen, räumt Hutson ein. Einen großen Erfolg gibt es dennoch: In diesem Jahr ist in New Orleans noch kein Mensch von der Polizei erschossen worden. In den vergangenen Jahren waren es jährlich 20 bis 25.

Was bedeutet das für die Einrichtung einer Beschwerdestelle in Berlin? Die ReferentInnen zeigten sich skeptisch. „Wir haben die Arbeit der Beschwerdestelle übernommen“, erklärte Nadine Saeed von der Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh selbstbewusst. Ihr Vertrauen in die Behörden ist gering; nach ihrer Erfahrung hätten sich PolizeizeugInnen und Justiz gegenseitig gedeckt. Auch die von Amaro Foro vertretenen Sinti und Roma sähen sich ständig der Diskriminierung durch Behörden, Polizei und Justiz ausgesetzt, sagte eine Sprecherin. Um langfristig Vertrauen zu schaffen, müsse eine Beschwerdestelle staatlich unabhängig und in der Community verankert sein.

Ähnlich sieht das Martha Wegewitz von der Berliner Obdachlosenhilfe. Und die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt kritisierte, dass der Berliner Entwurf für eine Beschwerdestelle lediglich eine Absichtserklärung sei. Eine Stelle sei zu wenig, und das Modell in Rheinland-Pfalz sei „schlecht“. Die Menschen, die zu KOP kommen, wollten keinen Dialog mit der Polizei, sondern dass ermittelt wird und die Täter vor Gericht kommen.

Letztendlich war sich das Podium in seiner Kritik ziemlich einig: Gerade marginalisierte Menschen haben häufig schlechte Erfahrungen mit staatlichen Instanzen gemacht. Eine Beschwerdestelle allein kann die strukturellen Probleme in den Behörden nicht ­lösen.

Und dennoch: Ein Bürgerbeauftragter wird kommen. Die Diskussion darüber müsse von der Zivilgesellschaft in Berlin kritisch begleitet werden; sie müsse Druck machen, um aus einer solchen Beschwerdestelle ein effektives Instrument gegen Diskriminierung zu machen. Dafür braucht eine solche Stelle eigene Ermittlungsbefugnisse und ausreichend Personal. Idealerweise sollte sie mit Personen aus der Zivilgesellschaft besetzt sein oder von diesen kontrolliert werden und nicht dem Innenministerium unterstehen. Davon ist der Berliner Entwurf noch weit entfernt.