berliner szenen
: Ich sollte jetzt was sagen

Ich muss jetzt mal was gestehen: Ich bin nicht immer voll cool. Es scheint nur so, als hätt’ ich stets ’nen flotten Spruch auf den Lippen, wenn mir was Blödes passiert im Leben. Aber ganz schön oft auch hab’ ich keinen Parier-Satz parat, wenn ich ihn ganz dringend brauch. Wie jetzt.

Ich schaue den Mann an, dem ich Paroli bieten will. Er hat jetzt nichts Blödes direkt zu mir gesagt, sondern so vor sich hin in die S-Bahn rein: „Geht’s auch leiser?“ So weit, so gut; ich stimm’ sogar zu: Die Frau da telefoniert schon ziemlich laut. Aber dann schiebt er hinterher: „Bis ganz nach Afrika musst du ja brüllen, was?“, und das ist nicht mehr okay, sondern einfach nur beschissen rassistisch. Und deswegen sollt ich jetzt was sagen.

Nur fällt mir nichts ein, was ich sagen kann; erst später hab ich Ideen, von langen Sätzen hin zu ganz kurz, zum Beispiel einfach nur: „Schnauze!“ Ich könnt sagen … Ich weiß nicht genau. Irgendwas.

Aber ich sag noch nicht mal irgendwas. Ich schau nur weiter den Mann an, ganz böse zwar, aber stumm. Er seinerseits schaut ebenfalls: Ob da wer Einspruch erhebt gegen seinen „Afrika“-Spruch. Sieht nicht so aus, und das ist noch viel beschissener. Trotzdem krieg ich den Mund noch immer nicht auf.

Ich schau zu der Frau. Sie hat den Spruch nicht gehört, vielleicht nicht verstanden. Oder sie tut nur so; ich tu ja auch manchmal so, als hätt’ ich Angriffe nicht gespürt, wünsch mir dann aber doch immer, dass jetzt wer anderes was sagt, wenn ich das allein eben nicht schaff.

„Du brüllst aber auch ganz schön rum“, sagt da plötzlich jemand hinter mir. „Hör auf!“

„Genau!“, sag ich. Ich red’ so leise, dass das niemand hört. Aber immerhin: Leise ist besser als stumm. Und es kann nur lauter werden, flotter, Spruch und Einspruch auf den Lippen. „Hör auf!“

Joey Juschka