Italiens Unwetter und die Folgen: Hausgemachte Katastrophe

Durch das Unwetter sind bislang 32 Menschen gestorben. Das hat auch mit dem Versagen von Kommunen bei der Instandhaltung der Gewässer zu tun.

Umgestürtzte Bäume und ein von Schlamm dunkel gefärbter Fluss

Unwetter haben in Italien Chaos und Verwüstung angerichtet Foto: Vigili del Fuoco/Italian Firefig

ROM taz | Nach seit gut einer Woche anhaltender Unwetter, die bisher 32 Todesopfer forderten, hat in Italien die Diskussion über die Gründe für die dramatische Opferbilanz eingesetzt. Schwere Regenfälle, dazu heftiger Wind und an vielen Orten über die Ufer getretene Flussläufe haben das Land vom Alpenraum im Norden bis hinunter nach Sizilien im tiefen Süden heimgesucht.

Menschen wurden von Bäumen erschlagen, ertranken in ihren Autos und gar in ihren Häusern. So starben neun Mitglieder einer Familie in den Schlamm- und Wassermassen, die in ihr Ferienhaus unweit Palermos eindrangen.

Vor allem auf diese Tragödie konzentriert sich jetzt die Debatte. Innenminister Matteo Salvini, zugleich Chef der rechtspopulistischen Lega, weiß eine einfache Antwort. Schuld seien die Umweltschützer. Denn die verträten die Auffassung, dass „man das Bäumchen nicht anfassen, den Bach nicht ausbaggern darf, und eines Tages präsentieren das Bäumchen und das Bächlein die Rechnung“.

Italien hat ein enormes Problem mit seinen Flüssen und Bächen, die oft nicht von Baumstämmen und anderem Gerümpel gesäubert werden, so dass sich bei starken Regenfällen das Wasser aufstaut, um dann mit Wucht ins Tal zu schießen. Mit Umweltschutz hat dies wenig, mit dem Versagen der Kommunen und Regionen bei der Instandhaltung der Gewässer viel zu tun. Hinzu kommen Landschaftsversiegelung und die Einfassung der Wasserläufe in enge Betonrinnen.

Doch dass jetzt im Dorf Casteldaccia direkt vor den Toren Palermos neun Menschen ihr Leben verloren, hängt an einem weiteren Problem. Die kleine Villa, die die Familie für Kurzurlaube außerhalb der Großstadt angemietet hatte, befand sich gegen alle gesetzlichen Vorschriften direkt an dem kleinen Bach, der sich wegen der Regenfälle plötzlich in einen reißenden Strom verwandelte. Das Gesetz schreibt mindestens 150 Meter Abstand vor, doch die Eigentümer scherten sich nicht darum: Sie errichteten den Bau schwarz, ohne Genehmigung.

Umweltschützern den Schwarzen Peter zuschieben

Hunderttausende solcher Bauten finden sich in Italien, im Süden kam auch in den letzten Jahren auf zwei regulär neu errichtete Wohnungen je eine, für die keine Genehmigung vorlag – oft genug auch in Zonen, die von Überschwemmungen oder Erdrutschen bedroht sind. Luftbildaufnahmen ergaben, dass etwa 1,2 Millionen Gebäude in Italiens Katastern offiziell gar nicht auftauchen.

Die Politik reagierte auf dieses Problem, indem sie immer wieder nachträglich Genehmigungen für schwarz errichtete Bauten ausstellte, gegen Zahlung einer bescheidenen Gebühr von wenigen tausend Euro. Ein erstes Gesetz wurde 1985 verabschiedet. Als es sich abzeichnete, kam es zum einem wahren Boom von Schwarzbauten.

Und Silvio Berlusconi, kaum war er 1994 in die Politik eingestiegen, verfügte eine weitere Amnestie für Schwarzbauten – mit den Stimmen der Lega, die jetzt den Umweltschützern den Schwarzen Peter zuschieben will. Ebenso stimmte die Lega einer weiteren Berlusconi-Amnestie 2003 zu.

Nicht alle Häuser wurden auf diesem Wege legalisiert. Zum Beispiel die Villa, in der jetzt die Familie aus Palermo den Tod fand, war schon wegen ihrer Lage seit Jahren auf der Liste der abzureißenden Bauten. Die Eigentümer hatten vor dem Verwaltungsgericht Einspruch eingelegt, danach hatte sich die Kommune nicht mehr um den Fall gekümmert. Auch dies ist typisch: Der Umweltverband Legambiente veröffentlichte vor einem Monat Zahlen, denen zufolge für mehr als 70.000 Gebäude Abrissverfügungen vorliegen, jedoch nur in 20 Prozent der Fälle abgerissen wurde.

Auf Sizilien reduziert sich diese Ziffer auf 10 Prozent. Derweil legt die Regierung aus Lega und Fünf Sternen eine neue Schwarzbau-Amnestie auf – für die Insel Ischia, die 2017 von einem Erdbeben getroffen wurde. Und die zum Wahlkreis des Fünf-Sterne-Chefs Luigi Di Maio gehört.

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