Kommentar Statistik zu Paarbeziehungen: Manche nennen das dann Liebe

Frauen in Heterobeziehungen haben selten einen „höheren Bildungsstand“ als der Mann. Naturgegeben ist das nicht und es geht auch anders.

Ein Paar küsst sich in der Abendsonne

Laut Mikrozensus sind in 10 Prozent der Paarbeziehungen Frauen höher gebildet als der Mann Foto: dpa

Es war ein tieftrauriger Moment. Eine liebe Bekannte, gerade 40 geworden, hatte sich vier Monate zuvor bei der Partnerschaftsvermittlung „parship“ angemeldet. Sie hatte als besondere Eigenschaft „gebildet“ angegeben und ihre Promotion genannt.

Die Resonanz der Männer war mager ausgefallen. Jetzt, vier Monate später, wollte sie ihr Profil ändern, die Promotion und das Wort „gebildet“ sollten daraus verschwinden. „Das mit dem Bildungsstand schreckt Männer vielleicht ab“, sagte sie. Sich selbst kleiner zu machen, um attraktiver zu wirken: Partnersuche kann ein Horror sein.

Immerhin, ein wenig Hoffnung gibt es. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte am Donnerstag Zahlen aus dem Mikrozensus 2017, nach denen Frauen in 10 Prozent der Paarbeziehungen einen höheren Bildungsstand haben als der Mann. Das ist zwar wenig, aber 20 Jahre zuvor war das nur bei 6,6 Prozent der Paare der Fall gewesen. Es gibt also einen klitzekleinen Trend.

Auch wenn Studien immer wieder damit drohen, dass das die labilsten Beziehungen überhaupt seien, wenn die Frau mehr verdiene, intelligenter, gebildeter, vielleicht auch noch älter sei als der Mann. Angeblich sei das ja alles gegen unsere inneren Muster, gegen die Evolution, ha! Das könne nicht halten.

Sorry, ist halt die Natur

Wer sich hier nicht erbricht, ist kein Mensch mehr. Denn nichts versaut Frauen – und manchmal auch Männern – die Laune so sehr wie die sogenannten Partnerschaftskriterien aus der sogenannten Evolutionsbiologie, fälschlich auch „Liebe“ genannt. Der Wiener Verhaltensforscher Karl Grammer zum Beispiel verweist auf viele internationale Studien, nach denen Frauen Männer mit höherer Bildung, Status und Intelligenz bevorzugen. Während Männer bei Frauen … tja, dreimal darf man raten … vor allem Wert auf das Aussehen, auf Jugendlichkeit legen.

Das ist ein Supersystem, das den Frauen sagt: Tja, ihr werdet ab dem Alter von 25 leider von Jahr zu Jahr unattraktiver und ihr könnt auch nichts tun, um eure Attraktivität zu steigern und die Liebe zu gewinnen. Arbeit, Bildung, Ruhm, sogar Geld nützen euch nichts. Im Gegenteil. Je mehr ihr euch abrackert, desto eher fühlt sich der Mann neben euch klein, wendet sich ab und schlägt garantiert kein weiteres Date vor. Und dann werdet ihr ja auch noch älter. Das Leben ist gegen euch. Sorry, ist halt die Evolutionsbiologie, alles Natur, tief drin im Hirn, kann man nichts machen.

Wobei Männer auch ihr Fett abkriegen, das darf man nicht verschweigen. Denn nicht jeder ist reich und witzig, größer als 1,74 Meter und hat ein Kinn wie John F. Kennedy. Das aber gehört laut E-Biologie auch zu den Kriterien, um bei den Frauen zu punkten und ein Hot Shot zu werden für die weitere Fortzüchtung der Menschheit.

Der Revolutionär ist antievolutionär

Männer kommen dennoch besser weg, wäre ja auch eigenartig angesichts der vielen männlichen Attraktivitätsforscher, die nach den ewigen Kriterien fahnden. Der altersbedingte Werteverfall des Mannes auf dem Partnerschaftsmarkt ist angeblich weniger dramatisch, denn Sperma wird auch mit 70 noch frisch produziert, während der Eizellvorrat der Frau dahinschmilzt. Es zählt die Reproduktionsfähigkeit. Sagen die E-Biologen.

Es gibt nur ein Problem mit den sogenannten Naturgesetzen: Die Wirklichkeit ist anders. Jedenfalls in vielerlei Hinsicht. Wir leben immer länger auch jenseits der Phase der Reproduktionsfähigkeit. Bei nur 8 Prozent der Paare besteht ein Alters­unterschied von zehn Jahren und mehr zwischen Männern und Frauen. Das in etwa gleichaltrige Paar ist die Regel, auch wenn die Fotos in der Bild-Zeitung was anderes behaupten. Was sagt die E-Biologie überhaupt zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften? Naah? Ratlosigkeit!

Was ist in Zeiten der Globalisierung mit binationalen Paaren, wo die ältere, deutsche Frau halt mehr verdient? Und was ist mit den gutausgebildeten Frauen, die den Fachkräftemangel lindern sollen? Alles unnatürliche Fehlentwicklungen? Aber der Handwerker, der mit der IT-Fachfrau zusammenlebt, ist keine Utopie. Es soll Busfahrer geben, die ihrer Liebsten Gedichte vorlesen, ja vielleicht sogar selbst welche erfinden. Vielleicht ist es so: Der Revolutionär ist antievolutionär. Das aber heißt: Es gibt Hoffnung in der Liebe.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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