berliner szenen
: Korrekt an der Kasse, kein Dank

Wenn die Person an der Kasse im Supermarkt mir 5 Cent zu wenig berechnet: Ich sag ihr das. Sonst hab ich ein schlechtes Gewissen. Allerdings komm ich mir auch ein bisschen blöd dabei vor. Weil andere dann womöglich denken: Der ist ja bekloppt. Deshalb hoff ich immer, dass die Person an der Kasse alles richtig macht. Oder dass niemand in der Nähe ist, wenn ich sage, dass ich noch 5 Cent zahlen muss.

Aber ehrlich gesagt erwarte ich ein Danke für meine Ehrlichkeit. Ist das spießig? Egal. Schließlich mache ich mich zum Affen, das verdient eine Gegenleistung. Doch einige Leute sind wohl irritiert von mir und nicht zu normalen Reaktionen fähig. Sie nehmen meine 5 Cent entgegen, befremdet, nachdenklich, stumm. Und denken wahrscheinlich: „Ist das ein gefährlicher Verrückter? Wie verhalte ich mich jetzt?“

Neulich wartete ich im ­U-Bahnhof auf den Zug und guckte die Zeitschriften am Kiosk an. Da sah ich einen 20-Euro-Schein liegen auf den Magazinen im Fenster. Ich hätte den Schein einfach nehmen können, schließlich guckte die Verkäuferin weg. Aber ich wartete, bis sie rausguckte, und sagte ihr, dass da ein 20-Euro-Schein liegt. Sie sagte nur „Aaach“, nahm den Schein und steckte ihn in die Kasse. Ich wartete, dass sie wieder hochguckt und Danke sagt. Aber sie guckte mich nicht mehr an, sagte nichts, und dann kam auch schon der Zug.

Manchmal gehe ich auch zum Supermarkt-Personal, um ein schimmliges Produkt abzugeben, das ich zufällig im Regal gesehen habe. Damit niemand anderes es aus Versehen kauft. So gab ich neulich im Supermarkt bei einer Frau am Info-Schalter schimmliges Brot ab: Sie nahm es, sah mich an und sagte laut und freundlich „Vielen Dank!“ Ich glaube, sie fand mich nicht mal bekloppt. Ich sie auch nicht. Giuseppe Pitronaci