Ciao Terence!

Das Italian Film Festival Berlin bietet ab heute Parabeln auf den italienischen Alltagsrassismus

Von Fabian Tietke

2018 ist ein gutes Jahr für den italienischen Film. Was – von Deutschland aus – mit Laura Bispuris „Figlia mia“ begann, setzte sich vor kurzem mit dem Kinostart von Alice Rohrwachers „Glücklich wie Lazzaro“ fort. Dass „Euphoria“, die zweite Regiearbeit von Valeria Golino, die in Bispuris Film die Hauptrolle spielt, nun im Rahmen des Italian Film Festival auch den Sprung nach Deutschland schafft, rundet das Jahr erfreulich ab. „Euphoria“ ist einer der fünf aktuellen Filme des italienischen Filmfestivals, das zum fünften Mal in Berlin stattfindet.

In „Euphoria“ erzählt Golino die Geschichte eines ungleichen Brüderpaars: vom erfolgreichen Unternehmer Matteo und Ettore, seinem Bruder, der als Lehrer in der Provinz arbeitet. Als Matteo erfährt, dass Ettore schwer erkrankt ist, wirft er seine durchgetaktete Welt über den Haufen und holt seinen Bruder zu sich nach hause. Dass die Erkrankung unheilbar ist, verschweigt er ihm.

Der Film setzt ganz auf seine beiden Protagonisten, die Schauspieler Ricardo Scamarcio und Valerio Mastandrea, die das Brüderpaar in der Spannung zwischen Vertrautheit, Fremde gegenüber den Lebensentwürfen und Konflikten der Vergangenheit überzeugend verkörpern. „Euphoria“ ist wie viele zeitgenössische italienische Filme bisweilen etwas arg in seine eigenen Bilder verliebt, beweist aber einmal mehr, dass sich in der zweiten Reihe des italienischen Films immer wieder Preziosen finden.

Gleich zwei Filme des Festivals versuchen, gesellschaftliche Konflikte in Komödien zu verhandeln. Der Komiker Antonio Albanese probiert es mit einer Parabel auf den italienischen Alltagsrassismus: der Betreiber eines Strumpfgeschäfts möchte einen schwarzen Konkurrenten am liebsten entführen und selbst nach Afrika abschieben. Albanese führte auch Regie und hält seinen Film vor dem Hintergrund der aktuellen Faschistisierung Italiens durch die Lega und die 5-Sterne-Bewegung erstaunlich konsensfähig. Das mag politisch sinnvoll sein, macht „Contromano“ aber nicht zu einem guten Film.

Interessanter ist da Riccardo Milanis Kassenschlager „Come un gatto in tangenziale“ (Wie eine Katze auf der Autobahn), der Klassengegensätze und die vermeintliche Liberalität der urbanen Elite aufs Korn nimmt. Giovanni ist als gut bezahlter Angestellter einer Denkfabrik, die die Förderung italienischer Vorstädte auf europäischer Ebene vorantreibt, von seinen Überlegungen genau solange überzeugt, bis seine jugendliche Tochter Agnese mit einem schwarzen Freund aus einer Vorstadt Roms vor ihm steht.

Auch „Come un gatto in tangenziale“ mag kein Meisterwerk sein, ist aber recht gut darin, Vorurteile in Bilder zu übersetzen, die diese konterkarieren. Überdies steht Albanese, der Giovanni spielt, mit Paola Cortellesi als Mutter von Agneses Freund Alessio eine ebenbürtige Komikerin und Schauspielerin gegenüber.

Ergänzt wird die Auswahl durch eine Retrospektive zu Terence Hill, die leider mit Hills neustem Regiemachwerk „Il mio nome è Thomas“ (Ich heiße Thomas) eröffnet wird, in der sich Hill in ödester Weise als Tausendsassa inszeniert. Ansonsten blendet die Retrospektive von Hills irrelevanter Gegenwart zurück in die Vergangenheit, als Hills Filme noch Vergnügen bereiteten: von der Nebenrolle im formidablen Vehikel für Popstar Rita Pavone („Little Rita nel West“) über den Italowestern „E poi lo chiamarono il Magnifico“ bis zum Giallo „Il vero e il falso“.

Bis 11. 11., mehrere Orte, www.italianfilmfestivalberlincom