Abheben mit Bauch

Schwanger sein und fliegen – verträgt sich das? Für gesunde Frauen sind Kurzflüge bis zur 30. Woche meist kein Problem. Viel trinken und regelmäßig herumlaufen beugt dem Thromboserisiko vor

VON JUTTA SCHULKE

Wer schwanger ist, kann sich über einen Mangel an guten Ratschlägen nicht beklagen. Noch einmal in ein Flugzeug zu steigen, bevor der Nachwuchs die zukünftigen Reiseziele diktiert, ist einer davon. Aber unter welchen Voraussetzungen ist eine Flugreise in der Schwangerschaft unbedenklich? Aus medizinischer Sicht gibt es darauf keine pauschale Antwort. „Wir werden keiner Patientin einen Garantieschein für einen Flug geben. Eine Frau, bei der sich schon in der 20. Woche Wehentätigkeiten zeigen, würde ich nicht in ein Flugzeug steigen lassen. Aber auch bei einer Schwangeren in der 30. Woche ohne jegliche Komplikationen kann ich nichts hundertprozentig vorhersehen“, sagt Dr. Thomas Döbler, Landesvorsitzender vom Berufsverband der Frauenärzte e. V. in Brandenburg.

Fluggesellschaften und Mediziner appellieren deswegen an die Eigenverantwortung der schwangeren Frau. „Wir gehen davon aus, dass jede Schwangere vor der Reiseplanung ihren Arzt befragen wird“, kommentiert Angelika Schwaff, Pressesprecherin bei Air Berlin, die Richtlinien ihrer Fluggesellschaft. „Wir vertrauen auf die Vernunft der Frau.“ Darauf drängt auch Döbler: „Es ist eine ganz persönliche Entscheidung. Und für eine gesunde Schwangere sehe ich bis etwa zur 30. Woche bei einem Flug von zwei bis drei Stunden kein Problem.“

Bei Air Berlin dürfen Frauen bis zur 34. Woche fliegen, Lufthansa lässt Schwangere bis zur 36. Woche ins Flugzeug. Beide Fluggesellschaften raten dringend, den Mutterpass nicht zu vergessen, denn „wenn der Bauch sehr rund ausschaut, fragen wir schon mal nach, wie weit die Schwangere wirklich ist“, erklärt Angelika Schwaff. Zu Beginn der Schwangerschaft machen die befragten Airlines keine Einschränkungen. Allerdings weist das Tropeninstitut der Universität München in seinem Reiseinformationsservice www.fit-for-travel.de auf die Strahlenbelastung bei mehreren Flügen in der Frühschwangerschaft hin: „Besonders wichtig sind die Wochen der Hirnentwicklung (8. bis 16. Schwangerschaftswoche). Der Strahlengrenzwert liegt bei 0,5 mSv (Millisievert). Bereits bei einem Normalflug von New York nach Tokio liegt die Strahlenbelastung bei etwa 0,2 mSv.“ Der Metalldetektor beim Sicherheitscheck spiele jedoch keine Rolle. Hinsichtlich der Flugdauer gilt: Je länger ein Flug dauert, desto höher ist das in der Schwangerschaft ohnehin schon vorhandene Risiko einer Thrombose.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach dem Reiseziel. Wer eine Fernreise plant, sollte sich gründlich mit den nötigen Impfungen auseinander setzen. Laut Tropeninstitut München seien z. B. Gelbfieber-Impfungen nach der zwölften Woche zwar in dringenden Fällen möglich, Tetanus, Hepatitis B und Typhus sogar unbedenklich, der Gynäkologe Döbler würde allerdings keine schwangere Frau impfen, „obwohl ich sonst ein wahrer Impffan bin“. Eine besondere Warnung spricht das Tropeninstitut hinsichtlich Malaria aus, da diese in der Schwangerschaft zu Früh- und Totgeburten führen kann.

Schwangeren, die sich für eine Flugreise entschieden haben, rät Döbler: jede Stunde einen Liter Wasser zu trinken und alle halbe Stunde den Gang auf und ab laufen. „Für die Bewegungsfreiheit bitten Sie um einen Platz an den Ausgängen.“ Gerade dort werden die befragten Airlines eine schwangere Frau allerdings nicht sitzen lassen. Air Berlin und Lufthansa verweisen darauf, dass eine Schwangere sich im Notfall nicht als Helferin betätigen solle.

Doch was ist, wenn der Nachwuchs sich unverhofft entscheidet, das Licht der Welt von oben erblicken zu wollen? „Unsere Flugbegleiter sind in Geburtshilfe geschult. Und für das Baby haben wir alles parat. Kinder sind bei uns Kaiser!“, meint Angelika Schwaff forsch. Vorgekommen sei eine Geburt an Bord aber noch nie. Pressesprecher Michael Lamberty äußert sich zu den Entbindungskünsten der Lufthansa-Crews zurückhaltender: „Das Thema kommt in der jährlichen medizinischen Schulung dran und im Ernstfall telefonieren wir mit einem medizinischen Notdienst über Satellit. Ich denke aber, jede Frau bringt ihr Kind lieber am Boden zur Welt.“