Kommentar Kriegsübung der Nato: Wehrhaft, aber gespalten

Die Nato will mit ihrem Manöver in Trondheim zeigen, dass sie verteidigen kann – jedoch ist das Bündnis momentan alles andere als geeint.

Ein Panzer fährt die Küste Trondheims entlang, im Hintergrund fliegen Kampfjets.

An der Küste Trondheims sind normalerweise nur Kreuzfahrtschiffe zu sehen Foto: dpa

TRONDHEIM taz | Das größte Nato-Manöver seit Ende des Kalten Krieges präsentiert sich mit beschaulichen Bildern: Bei Sonnenschein und blauer See bewegen sich Schiffe gemächlich auf die Küste zu. Auf herbstlich roten Hängen kraxeln Soldaten. Geladen sind auch Beobachter des fiktiven Gegners: Russische Experten verfolgen das Geschehen aus der Nähe. Die Gegnerschaft wird dadurch untermauert, dass russische Raketen in abgesprochenen Planquadraten vor der Küste Trondheims explodieren. Sonst ist dieses Terrain Kreuzfahrtschiffen vorbehalten.

Moskaus Beobachter sollen sich davon überzeugen, dass die Nato-Streitmacht, die Russland durch seinen Einfall auf der Krim und im Donbas aus dem Schlaf holte, ihrer Verteidigungsaufgabe gewachsen ist. Je näher an Russland gelegen, desto größere Ängste hegen europäische Länder. Russlands Querfeuer im Nato-Operationsgebiet gehört unterdessen zur Inszenierung für heimisches Publikum in Russland.

Ungemütlich wird es, wenn die nukleare Dimension ins Blickfeld gerät. Russland sei auch in diesem Bereich überlegen, gab der Kremlchef kürzlich zu verstehen. Käme es zum Schlagabtausch, würde die Russen das Paradies erwarten, der Aggressor hingegen müsse verrecken. Ironie oder ernster Hinweis?

Die Ankündigung Trumps, sich aus dem INF-Vertrag für nukleare Mittelstreckensysteme zurückzuziehen, verursacht in Moskau kaum Aufregung. Vielmehr spielt der Kreml das Scheitern den USA zu und freut sich, dass Begrenzungen bei Mittelstreckenraketen nun entfallen.

Ein nukleares Wettrüsten in Europa?

Seit Jahren monierten die USA und Nato-Staaten mangelnde russische Transparenz beim Bau des Marschflugkörpers 9M729. Erst wurde dessen Existenz ganz geleugnet. Moskau nahm stattdessen das US-Raketenabwehrsystem in Rumänien und Polen als Vertragsverletzung aufs Korn. Bisher reagierte Moskau nicht auf Nachfragen.

Vermutlich wird Trump die Kündigung selbst dann aufrechterhalten, wenn Moskau ein Einsehen haben sollte. Ohne Vertrag wird es noch schwieriger werden, auf Moskau Druck auszuüben. Wird es zu einem neuen nuklearen Wettrüsten in Europa führen?

Das Nato-Bündnis dürfte kaum fähig sein, eine gemeinsame militärische Antwort zu finden. Ein zerstrittenes Europa, vorneweg Rüstungslieferant Deutschland, wird sich wie in den 1970er Jahren in der Nachrüstungsdebatte zerfleischen. Russland hat großes Interesse daran, Europa zu spalten und die Bindung an die USA zu kappen. Dafür muss es kaum etwas tun: Der Westen erledigt das schon allein.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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