Stade wartet auf Wunder

Das Aluminium-Werk in Stade soll wegen zu hoher Strompreise schließen. Für 300 Beschäftigte will der Konzern „Ersatzarbeitsplätze“ finden – und verweist auf Erfahrungen in Bayern und Norwegen

Von Thomas Brunotte

Eine neue alte Art, eine Werksschließung zu kaschieren, wendet jetzt der Konzern Norsk Hydro für sein Werk in Stade an: Erst den Laden schließen, dann verkünden, neue Firmen würden am Standort schon wieder Jobs schaffen. „Wie Hydro das schaffen will, ist mir nicht klar“, sagt der Stader Grüne Henning Münnecke zu diesem genialen Plan. Doch der norwegische Mischkonzern betont, er sei optimistisch, für gut 300 der 430 Beschäftigten per Auffanggeselschaft Ersatzjobs finden zu können. Die übrigen Arbeiter könnten in den Ruhestand gehen.

„Natürlich ist das ein ehrgeiziges Ziel“, sagt Norsk-Sprecher Michael Peter Steffen, „doch wir wollen alle unsere Industriekontakte in die Zusammenarbeit mit der Politik und der Region einbringen“. Auf diese Weise habe der Konzern in Norwegen, Österreich und Bayern angeblich bereits „erfolgreich“ Werke stillgelegt. Im südnorwegischen Porsgrun sei es sogar gelungen, durch Umstellung auf einen völlig anderen Industriezweig mehr Arbeitsplätze zu schaffen als vorher. Allerdings geht es der Wirtschaft in den genannten Region auch besser als in Stade.

Konkrete Ideen oder einen Interessenten für das Elbewerk gibt es dem entsprechend noch nicht. Zum Verkauf steht ein 50 Hektar großes Firmengelände samt Recycling-Anlagen, Klärwerk und Wasserversorgung. Über mögliche Altlasten schweigt man sich aus: „Wenn es welche gibt, muss der Konzern für die Beseitigung sorgen“, versichert der Sprecher.

Bereits die Begründung für die Werksschließung war zumindest zweifelhaft: Norsk Hydro ist das erste energieintensiv produzierende Unternehmen in Deutschland, das die Stilllegung eines Werks mit zu hohen Strompreisen rechtfertigte. Ähnlich wurde bereits bei der drohenden Schließung des Hamburger Aluminium-Werks argumentiert. Für HAW mit seinen 440 Jobs wird derzeit händeringend ein neuer Investor gesucht, hier ist Norsk Hydro Anteilseigner.

In der Tat: Bei der Produktion von Metallen wie Aluminium oder Kupfer kann Strom bis zu 30 Prozent der Betriebskosten ausmachen.

„Aluminium wird auf dem Weltmarkt in US-Dollar gehandelt. Gegenüber 2002, als Norsk Hydro das Werk übernommen hat“, rechnet der Grüne Münneke dagegen vor, „hat der Euro im Vergleich zum Dollar aber fast 30 Prozent an Wert gewonnen“. Die starke Währung habe die heimische Produktion verteuert, nicht der Strompreis. Maßgeblicher Faktor sei auch nicht die Ökosteuer, sondern vor allem der spekulative Stromgroßhandel an Strombörsen wie in Leipzig.

Nur „durch ein Wunder“ könne das Aluminiumwerk in Stade noch gerettet werden, sagte gestern Jens Kallmeyer, Geschäftsführer der Hydro Aluminium Beschäftigungsentwicklungsgesellschaft. Dafür müssten sich die Strompreise halbieren. Jon-Harald Nielsen, Chef der Aluminium-Sparte bei Norsk Hydro versichert, dass es trotz zahlreicher Gespräche mit Lieferanten auf dem deutschen Energiemarkt nicht gelungen sei, den Preis genügend zu senken. Trotz Liberalisierung dominieren derzeit vier Konzerne 85 Prozent des deutschen Strommarkts: Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, die, so Münnecke, in den letzten beiden Jahren kräftige Gewinne erwirtschaften konnten.