Superstars am Drücker

Das Zocker-Event „Esl One“ lockte 20.000 „Dota 2“-Fans aus der ganzen Welt nach Hamburg. Sie kamen, um ihre fiktiven und Idole aus Fleisch und Blut spielen zu sehen

Nahbar und doch so fern: Profigamer w33 Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Von Yasemin Fusco

Helden müssen nicht immer aus Fleisch und Blut sein; sehr oft kommen sie aus fiktiven Welten. Ein besonderes Verhältnis zu ihren Helden haben die Fans von „Defense of the Ancient 2“, kurz Dota 2. Zu Tausenden sind sie nach Hamburg gereist, um sich eines der weltgrößten Computerspiel-Turniere anzuschauen.

Die besten E-Sportler der Welt treten in Teams bei der „ESL One“ in der Barclaycard Arena gegeneinander an – und können dabei 300.000 Dollar gewinnen. Das Siegerteam erhält den größten Teil der Summe: 125.000 Dollar.

Dota 2 ist ein Online-Spiel in Vogelperspektive, bei dem zwei Teams, The Dire und Radiant, gegeneinander antreten und sich unter strategischen Gesichtspunkten virtuell auf die Köpfe schlagen. Bevor der Kampf beginnt, suchen die Gamer ihre Held*innen aus über 100 Charakteren aus.

Über den zehn Fabelwesen stehen die Nicknames der Profi-Gamer. Ein Kampf beginnt, der zwischen 15 Minuten und einer Stunde dauern kann. Wer das gegnerische Hauptgebäude zuerst zerstört, hat die Runde gewonnen, wer zwei Runden für sich entscheidet, den Kampf. Im Finale sind es drei Runden.

„Defense of the Ancient“ ist als Aufforderung zu verstehen, sein Hauptgebäude zu verteidigen. Während des Kampfes ist es wichtig, dass die Spieler ihre Held*innen mit den richtigen Items bewaffnen, die sie mit ihren gegebenen Fähigkeiten und Attributen strategisch kombinieren müssen.

Um sich das nötige Equipment für den Sieg leisten zu können, versuchen die Profi-Gamer mit sogenannten „Last Hits“, also gezielten Schlägen, die kleinen „Creeps“ genannten Monster zu töten. Dafür gibt es Geld, mit dem sie dann in Shops Waffen kaufen – oder sich vom niedlichen Kurier liefern lassen, wenn sie zum Shoppen keine Zeit haben.

Für die insgesamt 20.000 Fans in der Barclaycard Arena sind die Profi-Gamer richtige Idole, obwohl die während der Kämpfe kaum hinter ihren Monitoren zu erkennen sind. Selbstinszenierung oder von Testosteron überquellende Männer sucht man hier vergebens – weibliche Spieler allerdings auch.

Trikots mit den Nicknames der Stars gibt es viele an diesem Wochenende. Viele Profis sind den Zuschauer*innen schon seit Jahren ein Begriff; sie reisen um die Welt, um in Dota 2 ihre Teams zum Sieg zu führen. Bei der Anmoderation werden die Namen der Teams wie beim Boxen in die Arena gebrüllt.

Die Fans toben, wenn einer der Helden in schneller Reihenfolge alles wegballert, was er zur Verfügung hat. Wenn ein Zusammentreffen besonders spektakulär verläuft, wird sich die Szene in Zeitlupe wiederholt und der Fan auf der Tribüne kann sich für seinen Kampf zu Hause einige Tricks abgucken.

Von Testosteron überquellende Männer sucht man hier vergebens – weibliche Spieler allerdings auch

Die weiblichen Fans halten Transparente mit Liebesbekundungen an bestimmte Spieler in die Luft, in der Hoffnung, von den Kameras erfasst und auf die riesigen Leinwände projiziert zu werden.

Wer ein VIP-Ticket gekauft hat, verfolgt die Kämpfe in gepolsterten Sesseln im Parkett und mit einer riesigen Ration Energy Drinks. Während der Spielpausen zerteilt ein Analyst die letzten Spielzüge in ihre Einzelteile. Ein besonders beliebter Teil, der mit großem Applaus begleitet wird.

Dota 2-Fans verehren nicht nur die Profi-Spieler, sondern auch die Fantasy-Charaktere im Spiel: Die Barclaycard Arena ist voller Menschen mit selbst geschneiderten Kostümen und detailreichen Waffen-Attrappen ihrer Lieblingshelden. Neben dem eigentlichen Turnier ihrer Helden halten sie ihren eigenen Wettbewerb ab: Die drei besten Kostüme werden mit dem lautesten Applaus ausgezeichnet – mit vergleichsweise mickrigen Preisgeldern.

Die wenigsten Zuschauer*­innen würden sich zutrauen, auf dieser Bühne zu punkten. Im Privaten scheuen viele die kleinsten Fehler, aus Angst „geflamed“, also über die Chatfunktion im Spiel beleidigt zu werden von den weniger verständnisvollen Mitspielern.