WELTSOZIALBERICHT: DIE POLITIK MUSS WIEDER HANDLUNGSFÄHIG WERDEN
: Appelle allein nutzen nichts

Der gerade von der UNO vorgelegte Weltsozialbericht dokumentiert, was niemanden verwundern kann: Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in den letzten Jahren weiter geöffnet. Auch steigendes Wirtschaftswachstum unterstützt dies, weil es ungleich verteilt ist und daher nur Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten verstärkt. Hinzu kommen die ökonomische Liberalisierung und der staatliche Rückzug aus Gestaltungsaufgaben.

Dass verschiedene UN-Organisationen, genau wie etliche internationale Nichtregierungsorganisationen, in regelmäßigen Berichten auf die Schieflage der Entwicklung hinweisen, mithin wie ein soziales Weltgewissen die Ungerechtigkeit anprangern, ist löblich. Nur: Wer ist eigentlich der Adressat von Sätzen wie: „Angesichts des beispiellosen Wohlstands und der in der heutigen Welt zur Verfügung stehenden Ressourcen, der technischen Expertisen, des medizinischen Wissens dürfen wir die Verletzlichsten der Gesellschaft nicht mehr so weit im Abseits lassen“? Es gibt niemanden, der auf solche Appelle effektiv reagieren könnte.

Vielleicht ist gerade das die Botschaft: Da müsste doch jemand sein. Doch wer etwa die jüngste Diskussion etwa um die UN-Reform verfolgt, kann für Optimismus keinen Anlass finden.

Die Organisationen dieses sozialen Weltgewissens und die Apologeten der kapitalistischen Wirtschaftsweise verbindet eines: Beide sparen große Teile der Realität komplett aus. Während die Fans des freien Marktes stets bemüht sind, die sozialen Auswirkungen des globalisierten Kapitalismus möglichst vollständig zu ignorieren, halten es die UN-Sozialerkunder zu schnell schon für einen Erfolg, Vergaberichtlinien internationaler Entwicklungszusammenarbeit verbessert zu haben. Das reicht nicht.

Die Politik, das folgt aus all den Berichten, muss ihre Gestaltungskraft gegenüber der Wirtschaft wiedererlangen, und der Anfang dazu kann nur im Norden gemacht werden. Wer in den entwickelten Gesellschaften soziale Rechte abbaut, um Investitionen anzulocken, schadet auch den Armen in den Entwicklungsländern. BERND PICKERT