Kommentar Spaniens Geschichte: Die Vergangenheit drängt ins Jetzt

Unter der neuen linken Regierung versucht Spanien eine späte Vergangenheitsbewältigung. Doch auch eine neue rechtsextreme Kraft hat sich gebildet.

Franco-Mausoleum mit Kreuz vor blauem Himmel

Ist der neuen Regierung ein Dorn im Auge: Das wuchtige Franco-Mausoleum in El Escorial Foto: dpa

Spanien wird von seiner nicht verarbeiteten Geschichte eingeholt. Ein Gericht bestätigt erstmals, dass es unter Diktator Francisco Franco und auch in den ersten beiden Jahrzehnten danach einen organisierten Raub von Babys gab. 300.000 Kinder könnten dabei ihrem leiblichen Müttern entrissen und an kaufkräftige Adoptiveltern übergeben worden sein.

Gleichzeitig entsteht eine Landkarte des Schreckens. In diese sollen die Massengräber eingetragen werden, in denen bis heute über 100.000 Opfer der Franco-Repression liegen. Die Angehörigen wollen ihre Verschwundenen endlich ordentlich beisetzen und hoffen nun, dass die neue Regierung sie dabei unterstützt.

Auch Diktator Franco selbst steht auf der politischen Agenda. Die sozialistische Regierung unter Pedro Sánchez will seine sterblichen Überreste aus dem Tal der Gefallenen vor den Toren der Hauptstadt Madrid entfernen lassen. Die Familie soll den Leichnam übernehmen. Das Tal der Gefallenen soll damit seinen Charakter als Monument zu Ehren der Diktatur verlieren.

Diese späte Vergangenheitsbewältigung gefällt längst nicht allen. Sowohl die konservative Partido Popular (PP) als auch die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) wollen von einer Aufarbeitung der Diktatur nichts wissen. Sie stimmen immer wieder gegen entsprechende Anträge im Parlament. Für sie ist das, was Sánchez da tut, so etwas wie eine späte Rache der Linken für den verlorenen Bürgerkrieg. Franco gilt ihnen bis heute als der Retter des Vaterlandes vor Kommunismus und Separatismus.

Altes Gedankengut salonfähig

Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien zeigt, dass die Themen, die einst zum Bürgerkrieg führten, bis heute aktuell sind. Die Rechte nimmt bei dieser Auseinandersetzung endgültig die Maske vom Gesicht. Die Ciudadanos fordern, dass Katalonien dauerhaft unter Zwangsverwaltung aus Madrid gestellt wird. Die PP verlangt von Sánchez, dass er ein Verbot der katalanischen Unabhängigkeitsparteien – die gemeinsam über die absolute Mehrheit im katalanischen Parlament verfügen – prüfen solle.

Es ist ein Wettlauf darum, wer am besten das „einheitliche und große Spanien“, wie es einst unter Franco hieß, verteidigt. PP und Cs hoffen damit zumindest außerhalb Kataloniens erfolgreich auf Stimmenfang zu gehen.

Mit ihrer harten Linie gegenüber Katalonien haben die beiden Rechtsparteien allerdings auch altes Gedankengut wieder salonfähig gemacht. Und davon könnten jetzt ganz andere profitieren: Am Wochenende versammelte die rechtsextreme Bewegung VOX 10.000 Anhänger in Madrid.

Abschaffung aller Regionalregierungen, der Frauenrechte und sowie der Homoehe und ein hartes Vorgehen gegen Immigranten standen dabei ganz oben auf der Themenliste. Spaniens Demokratie muss jetzt Acht geben, von der dunklen Vergangenheit, die da ins Jetzt drängt, nicht überrollt zu werden.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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