Mit der Zeit gehen

Facebook: Die Transmediale steigt aus, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein. Wieso eigentlich?

Manchmal scrolle ich zum Wachwerden meinen Facebook-Newsfeed. Na gut, jeden Morgen. Freitagmorgen dann das: Die Transmediale wolle ihre Facebook-Seite ab sofort nicht mehr aktiv nutzen, steht da. Schon immer seien die technologische Architektur und das Geschäftsmodell dem entgegengelaufen, für was das Festival stehe. Ein überfälliger Schritt, denke ich auf dem Weg zur Espressokanne, aber über 50.000 Follower – da kann man schon mal ein paar Jahre zögern, das ist Kapital. Nur in Zeiten des Plattformkapitalismus (Nick Srnicek), den die Transmediale zitiert, eben schmutziges.

Wann ist eigentlich der Gegenstand der Kritik zur wichtigsten Kommunikationsinfrastruktur der Szene geworden? Eine Institution wie die Transmediale wird doch mit einem Newsletter auskommen. Das hat sie jetzt auch vor, nebst Kommunikation über direkte Nachrichten mit dem cloud-basierten Dienst Telegram. Mit Kaffee am Schreibtisch angekommen, scrolle ich durch mein Postfach. Ein Newsletter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK): Auch als altehrwürdige Institution müsse man mit der Zeit gehen, auf dem Social- Media-Tanker Facebook gebe es ab sofort unterhaltsame und informative Posts aus dem SPK-Kosmos, steht da nebst Smiley-Emoji.

Okay, man kann die SPK nicht mit der Transmediale vergleichen. Aber wieso speisen auch kritische Kunstvereine und Institutionen den Feed dieses Unternehmens so fleißig? Paradoxerweise sei ein solcher „kostenloser“ Service gerade für diese unumgehbar geworden, steht im Post der Transmediale. Die Anführungszeichen bedeuten: Die Kosten des Services tragen wir mit dem Verlust unserer Privatsphäre. Ach ja, wir arbeiten ja auch unentgeltlich für den Giganten, wenn wir morgens durch den Newsfeed scrollen.

Immerhin, Facebook ist auch ein Medium für Meinungsaustausch. Natürlich nur, sofern der Seitenbetreiber das Posten auf der Seite zulässt. Das tut die SPK. Sogar eine Netiquette hat sie dafür entworfen. Follower sollen bitte von politischer Meinungsäußerung absehen, steht da unter anderem. Weiter oben: Dialog und Meinungsaustausch stünden bei der SPK an erster Stelle. Aha, Meinungsaustausch ja, aber bitte nicht politisch.

Was Facebook mächtig macht: Die Menge Information auf der einen Seite, die Zahl der Nutzer auf der anderen – 2,23 Milliarden monatlich aktive zählte das Unternehmen im zweiten Quartal 2018. Alternativlos? Bitte, das ist nicht das Ende der Geschichte. Erkennen, dass es Zeit ist zu gehen, ist wohl: mit der Zeit gehen. Vielleicht fange ich den Tag jetzt doch wieder mit der Espressokanne an. Sabine Weier