Diesel-Konzept der Bundesregierung: Luftbuchung der GroKo

Die Regierung legt ein Konzept gegen die Diesel-Krise vor: Umtausch und Nachrüstung für alte Autos. Ob das was bringt, ist völlig unklar.

Dieselfahrzeug in Essen

Ein Diesel in Essen, allerdings im Winter, da kondensieren die Abgase hübsch Foto: ap

BERLIN taz | Am Dienstagmorgen um halb drei stieg über dem Kanzleramt in Berlin endlich weißer Dieselrauch auf. Nach sechs Stunden Ringen im Koalitionsausschuss, wochenlangem Streit und Monaten voller Niederlagen vor den Gerichten hat die große Koalition jetzt ein Konzept beschlossen, um „die Luft sauberer zu machen und Fahrverbote zu vermeiden“, wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verkündete.

Der Plan schlägt vor, in den 14 am meisten belasteten deutschen Städten alte Diesel umzutauschen, er macht „Hardware“-Nachrüstungen möglich, verspricht Steuergeld für die Umrüstung von kommunalen Wagen und Handwerker-Lkw und legt einen gesetzlichen Höchstwert für Stickoxid-Ausstoß in der Stadt fest. Aber ob der Plan aufgeht, hängt nicht von der Regierung ab. Sondern von den Besitzern der Dieselautos, der Autoindustrie und den Gerichten.

Ob die neuen Autos wirklich die Grenzwerte einhalten werden, ist bereits jetzt zweifelhaft. Das „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ trennt die deutschen Städte nach dem Dreck in der Luft. Kommunen, in denen die Belastung aus dem Verkehr mit dem giftigen Stickoxid NO2 die Schwelle von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreitet, werden nach einer Änderung des Bundes-Immissionschutzgesetzes (BImschG) keine Fahrverbote erlassen können.

Sie bekommen dafür eine kleine Lösung: Zu den Software-Updates für bundesweit 6,3 Millionen Diesel-Autos, der bisherigen Förderung von Bussen, Radwegen und E-Mobilen, kommt nun ein Förderprogramm, das kommunale Müll- und Feuerwehrautos mit Dieselfiltern nachrüstet, ebenso kleine Lkw von Handwerkern und Lieferanten. In den 14 Städte mit richtig dicker Luft (München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg) sollen die Kommunen nach der Änderung im BImschG Fahrverbote für 1,4 Millionen betroffener Pkw erlassen können.

Rückkauf ist vom Tisch

Ausgenommen von diesem „Einfahrverbot“ werden alle Diesel-Pkw, die unter 270 Milligramm NO2 pro Kilometer ausstoßen. Um Fahrer von alten Dieseln der Klasse Euro 4 und Euro 5 die Fahrt in die Stadt zu garantieren, können diese ihre Wagen bei den Herstellern gegen neue oder neue gebrauchte Autos eintauschen – die Hersteller wollen dafür die Preise senken. Die Kunden können aber auch einen Euro-5-Diesel mit einem SRC-Katalysator nachrüsten lassen. Das Angebot gilt für die Bewohner der Städte und des Umlands, für Pendler oder Fahrten zur Arbeit oder „Härtefälle“.

Der Rückkauf von alten Dieseln, gegen den sich die Industrie gewehrt hatte, ist vom Tisch. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erklärte, für ihn stehe „die Gesundheit unserer Bürger an erster Stelle“, er wolle aber auch „die Zukunft des Diesels sichern“ und seine „Verantwortung für die deutsche Autoindustrie“ wahrnehmen. Eine Finanzierung der Maßnahmen haben die Hersteller bisher konkret nicht zugesagt. Sie haben Umtauschprämien von 6000 Euro (BMW), 5000 Euro (Daimler) und 4000-8000 Euro (VW) angekündigt.

Intern wird mit Kosten von etwa 4 Milliarden Euro aus Umtausch und Nachrüstung gerechnet. Die Haftung für die Katalysatoren soll bei den Zulieferern liegen. Bei der Nachrüstung hat bisher nach Regierungsangaben nur VW zugesagt, sich zu beteiligen. BMW hat das abgelehnt, Daimler zögert, Opel will ebenfalls nicht.

Auch ausländische Hersteller sind, bisher mit Ausnahme von Volvo, nicht dabei. Das Papier der Regierung spricht denn auch nur davon, dass der Bund „vom jeweiligen Hersteller erwartet, dass er die Kosten (für die Hardware-Nachrüstung) einschließlich des Einbaus übernimmt.“ Die Regierung hofft, dass „der Markt das regelt“, wie Scheuer sagte: Wenn deutsche Hersteller ihren Kunden Umtausch und Nachrüstung anbieten, so die Überlegung, müssten ihre Konkurrenten mit ähnlichen Angeboten nachziehen.

Unklar ist also, ob und wie hoch die Diesel-Halter möglicherweise doch beteiligt werden. Steuergeld solle für die Programme nicht eingesetzt werden, hieß es. „Das Konzept ist sehr, sehr wichtig für die Gesundheit der Menschen, für die Zukunft der Diesel-Technologie und für das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU).

Achtung bei dreckigen Euro-6-Dieseln

Das Kanzleramt hatte die Verhandlungen am Schluss an sich gezogen. Das Kalkül der Bundesregierung: Mit den Maßnahmen sinkt die Belastung in den Städten, wenn auch nur langsam. Und mit dem aktuellen Paket sollen die Gerichte in den Städten, wo in den nächsten Monaten Prozesse anstehen – unter anderem Berlin, Köln, Bonn oder Darmstadt – davon überzeugt werden, dass Fahrverbote für die Zukunft unverhältnismäßig sind.

Ob allerdings die Autos tatsächlich deutlich sauberer werden, ist völlig unklar. Denn beim Umtausch eines Fahrzeugs der Schadstoffklassen Euro 4 oder Euro 5 werden die Händler den Kunden Euro-6-Diesel anbieten. Unter ihnen gibt es nur wenige wirklich saubere (Euro 6d oder 6dtemp). Die anderen Euro-6-Diesel liegen nach einer Messung des Umweltbundesamts bei durchschnittlich etwa 500 Milligramm – weit entfernt von den 270 Milligramm, die der neue Grenzwert fordert.

Alle diese Fahrzeuge sind einwandfrei zugelassen, aber derzeit nur schwer verkäuflich. Wenn sich die Kunden nicht für einen Benziner oder ein E-Mobil entscheiden, werden diese dreckigen neuen Diesel in großer Stückzahl auf die Straße kommen. Verbieten kann man sie derzeit nicht – das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lässt das erst zu, wenn sie mindestens 4 Jahre gefahren wurden. Erst danach kann man dann in den Städten vielleicht aufatmen.

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