DIE SINGENDE DESPOTENTOCHTER UND IHR GEFÄLLIGER KLANGTEPPICH
: Clip mit wehendem Kleid

NEBENSACHEN AUS BISCHKEK

VON MARCUS BENSMANN

So singe, wem Gesang gegeben! Von dieser Regel darf eigentlich nur im eigenen Badezimmer abgewichen werden. Es sei denn, die Despotentochter Gulnara Karimowa betritt die Bühne. Der Zögling des usbekischen Gewaltherrschers Islam Karimow hat das nötige Kleingeld, um sich den Auftritt selbst zu finanzieren, und kann das Publikum im väterlichen Herrschaftsbereich zum Zuhören zwingen.

So geschehen neulich in Buchara. Die Seidenstraßenstadt voller islamischer Sakralbauten, die vor allem wissensdurstigen Pensionären von Studiosus-Reisen durch Usbekistan bekannt sein dürfte, diente der 40-Jährigen als Kulisse für ihr Musikvideo. Im Sommer hatte sie schon unter dem Künstlernamen Googoosha die englischsprachige CD herausgegeben. Sie und die von Papa kontrollierten usbekischen Medien behaupten, dass das Hauptlied „Round Run“ laut den Charts der englischen Popzeitschrift Billboard zu den zehn meistgespielten Clubliedern der Welt gehöre. Das Ego der Sängerin, die sich im Teaser als „Mezzosopran“, „Beauty“ und „Poetin“ bezeichnet, erschüttert nicht, dass bei der britischen Zeitschrift diese Platzierung nicht zu finden ist.

Das Lied, ein wisperndes Stimmchen mit gefälligem Klangteppich, hat nun also einen Clip. Für Wochen wurde Buchara abgesperrt, teure Produzenten aus Hollywood engagiert sowie ein berühmter Fassadenkletterer aus Großbritanien. Seit letzter Woche ist das Ergebnis bei YouTube und im usbekischen Fernsehen zu bewundern.

Karimowa hastet mit aufgespritzten Lippen, im wehenden Kleid und mit rollenden Augen die Treppen eines Minaretts empor, dazwischen Beine und Schatten des springenden und kletternden, aber gesichtslosen Mitspielers. Die seit Jahrtausenden lebendige Oasenstadt ist gespenstisch menschenleer. Die Aufmachung wirkt wie eine Melange aus „Tanz der Vampire“ und „Twighlight“.

Die künstlerische Darbietung der Usbekin widerlegt die Behauptung: Wo gesungen wird, da lass dich nieder, denn böse Menschen kennen keine Lieder. Im Vorfeld der Videopräsentation verhöhnte Karimowa den in den Lagern ihres Vaters zu Tode gekochten Musafar Awasow. Im brennenden Rom der Antike soll es zu ähnlichen Kunstübungen gekommen sein.