Rot-grün verliert Votum

Parlamentsmehrheit wählt Schwedens Ministerpräsidenten ab. Dabei stimmten die bürgerlichen Parteien mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten

Die Parteien müssen sich bewegen, wenn sie nicht Neuwahlen riskieren wollen

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Zwei Wochen nach den Parlamentswahlen beginnt in Schweden die heiße Phase der Regierungsbildung. Am Dienstag wurde dazu im Parlament der erste Schritt getan. Die neu gewählten Abgeordneten hatten darüber abzustimmen, ob die bisherige rot-grüne Regierung unter Ministerpräsident Stefan Löfven einfach im Amt bleiben sollte. Eine Mehrheit von 204 gegen 142 Stimmen lehnte das ab.

Ausschlaggebend für dieses Votum waren die 62 Stimmen der Schwedendemokraten. Nach dem Prinzip des „negativen Parlamentarismus“, der in Schweden herrscht, braucht eine Regierung zwar keine parlamentarische Mehrheit, sie darf nur keine gegen sich haben. Gegen die Regierung Löfven kam wie erwartet eine solche Mehrheit zustande, weil die „Allianz“ der liberal-konservativen Oppositionsparteien zusammen mit den Schwedendemokraten für die Abwahl stimmte.

Als nächstes stehen nun Gespräche des Parlamentspräsidenten mit allen Parteivorsitzenden an, um die Möglichkeiten einer Regierungsbildung auszuloten. Nach der schwedischen Verfassung bekleidet dieser „Talman“ des Reichstags nach dem Staatschef – dem Monarchen – und noch vor dem Ministerpräsidenten das zweithöchste Staatsamt. Er hat eine entscheidende Rolle bei der Konstitution einer Regierung. Er bestimmt, welchem Kandidaten er zuerst einen Regierungsauftrag erteilen will.

Über die Person des neuen Parlamentspräsidenten hatte es deshalb bereits am Montag die erste Kampfabstimmung gegeben. Traditionell fällt dieser Posten an die größte Fraktion im Reichstag. Die Sozialdemokraten, die diese Position auch nach der diesjährigen Parlamentswahl mit großem Vorsprung innehaben, verloren aber gegen den von den konservativen Moderaten nominierten Andreas Norlén. Auch diese Wahl erfolgte nach dem Muster der Abwahl Löfvens: Die „Allianz“-Parteien konnten sich dabei auf die Stimmen der Schwedendemokraten stützen.

Norlén kündigte an, am Donnerstag mit den Sondierungen für die Regierungsbildung beginnen zu wollen. Nach dem Grundgesetz soll er als Ministerpräsidentenkandidaten die Person benennen, der er die größten Chancen einräumt, keine Mehrheit gegen sich zu haben. Derzeit gibt es nur zwei Kandidaten: Stefan Löfven und Ulf Kristersson, den Vorsitzenden der Moderaten und Spitzenkandidaten der „Allianz“.

Halten die „Allianz“-Parteien an ihrem bisherigen Abstimmungsverhalten fest, hätte Löfven keine Chance. Die Schwedendemokraten haben klar gemacht, auf jeden Fall gegen ihn stimmen zu wollen. Auch Kristersson könnte nur Regierungschef werden, wenn die Schwedendemokraten nicht gegen ihn votieren. Ihr Parteivorsitzender Jimmy Åkesson betont bislang, einen Ministerpräsidenten Kristersson nicht ohne Gegenleistung, nämlich konkrete politische Zugeständnisse, akzeptieren zu wollen.

Die Beteiligung an einer Regierung, die sich derart von den Schwedendemokraten abhängig machen würde, lehnen wiederum zwei der vier „Allianz“-Parteien, die Liberalen und das liberale Zentrum, ab. Und wie Stefan Löfven am Mittwoch wieder einmal bekräftigte, werde auch rot-grün alles tun, eine Regierung zu verhindern, die sich auf diese Ex-Neonazi-Partei stützen müsse. Halten alle Seiten an diesen Positionen fest, gibt es eine kaum aufzulösende Pattsituation.

Es müsste also Bewegung geben, wollen die Parteien nicht in letzter Konsequenz Neuwahlen riskieren. „Ja, es gibt Gespräche“, erklärte die Zentrums-Vorsitzende Annie Lööf am Dienstag. Man versuche sich über die bisherigen Blockgrenzen zu treffen. Und Löfven appellierte an potentielle MitstreiterInnen, „nicht ins Chaos zu steuern“. „Ich bin bereit, eine Regierung zu führen, die das Blockdenken hinter sich lässt.“

Eine Mehrheitsregierung wird es vermutlich nicht werden. Selbst eine unwahrscheinliche Koalition aus Sozialdemokraten und Moderaten hätte keine Mehrheit im Parlament. Löfvens Lieblingsregierung wäre eine Minderheitskoalition seiner Sozialdemokraten mit den beiden liberalen Parteien und den Grünen. Als nicht ausgeschlossen gilt aber auch eine Minderheitsregierung von Moderaten und Christdemokraten, die sich auf die Stimmen der Schwedendemokraten stützt.