Chefstyler des Undergrounds

Ich bin deine KPdSU / frag nicht, was ich für dich tu: Der Schlagzeuger Chris Imler brachte seine Energie im Neuköllner Arkaoda auf die Bühne

„Nervös“ – für Imler ist das offenbar ein durchweg positiv besetzter Begriff

Von Stephanie Grimm

Beim Coolste-Socken-Ranking unter den Berliner Musikschaffenden ist Chris Imler weit vorne dabei, seit Jahren und Jahrzehnten. Kein Wunder also, dass gefühlt die halbe Stadt da war, als der Schlagzeuger am Freitagabend im Neuköllner Arkaoda sein Soloalbum „Maschinen und Tiere“ vorstellte. Imler war in den neunziger Jahren bei der Garagepunk-Band Golden Showers, unvergessen nicht zuletzt aufgrund grenzgängerischer Live-Auftritte, und hat seither gefühlt für alle guten Bands und Musiker der Stadt getrommelt, für Peaches etwa oder Jens Friebe. Bei den Türen und Oum Shatt ist er festes Mitglied.

Zudem ist er über die Jahre so etwas wie der Chefstyler des Undergrounds geworden, nicht zuletzt dank seines so unbeirrbaren wie lässigen Stilwillens – Jogginghose, Goldzahn, Menjou-Bart und bayrischer Akzent. Anlässlich der Record Release Party gaben sich die abgehangenen Wegbegleiter ebenso die Ehre wie erstaunlich viele junge schöne Frauen. Drei von ihnen, kaum fängt Imler mit einer guten Stunde Verspätung an, walzen, einander untergehakt, durch den pickepackevollen Konzertkeller Richtung Bühne. „Wir müssen nach vorne.“ Imler setzt Leidenschaften frei.

Sich bis vor die Bühne durchzukämpfen erweist sich aber tatsächlich als eine gute Idee, da dort klanglich mehr ankommt. Der Sound ist leider eher gedämpft und gedeckelt, zumindest am Anfang, in diesem eigentlich tollsten Neuzugang der hiesigen Club­landschaft. Zwischendurch holt Imler eine Trompete heraus und entlockt ihr ein paar windschiefe Töne. So toll sich die verstolperten, ineinanderfallenden Rhythmen, von denen es in seinen Songs eine Menge gibt, auf dem Album auch anhören: Live funktionieren die D.A.F.-mäßigen, minimalistisch-geraden Beats besser, nur sie dringen überhaupt durch.

Imler sagt von sich selbst, dass er technisch nicht der versierteste Schlagzeuger sei, dass die Menschen „vor allem seine Energie wollen“. Die bringt er auch an diesem Abend auf die Bühne, zumindest sobald die „Lauter“-Rufe aus dem Publikum dafür gesorgt haben, dass Imlers ganz eigene Mischung aus Electro-Punk, No Wave, Garagenrock, Dada dann auch einigermaßen zu hören ist. Auf dem Album schiebt er Bedeutungsebenen und Klangschichten hin und her, lässt Ideen immer wieder schön ins Leere trudeln und schafft eine schön naiv-verstörende Essenz von Gedankenblitzen. Davon bliebt beim Konzert einiges „Lost in Translation“. Spaß hat man trotzdem. Von den Ansagen und den kurzweilig-abgründigen Texten kriegt man trotz Soundverbesserungen immer noch nur die Hälfte mit, was schade ist.

Doch all das kann man ja später auch noch in Ruhe auf dem Album anhören. An diesem Abend sollen vor allem die Beats knallen, was sie dann irgendwann auch tun. Zudem scheint Imler dauernd über sich selbst zu schmunzeln. Mal spielt er sein Schlagzeug im Stehen, mal im Sitzen. Ihm beim selbstvergessenen Grimassieren zuzugucken, macht Laune.

Die erste Soloplatte des umtriebigen Musikers, erschienen vor vier Jahren, hieß bezeichnenderweise „Nervös“ – für ihn offenbar ein durchweg positiv besetzter Begriff, Lebensprogramm eben. Auf dem aktuellen Album geht es nicht, wie der Titel nahelegt, um „Maschinen und Tiere“, sondern eher um Menschen und ihre Abgründe. Die Anmutung ist böser und desillusionierter, weniger verspielt als das Solodebüt. „Ich bin deine KPdSU/ frag nicht, was ich für dich tu/ frag, was du tun kannst/ damit ich dir nix tu“ heißt es etwa in dem Song „Who Stops Clapping First Will Be Shot“.

Im Anschluss stehen zwei ziemlich schick und voll kunstbetriebsmäßig gekleidete Frauen vor dem Club. Die eine fühlt sich bemüßigt, der anderen zu erklären: „Das war jetzt mal ein gutes Beispiel für Berliner Eleganz.“

Och nö, die Damen, jetzt echt? Solch ein Etikett hat der zumindest für diesen Abend definitiv Coolste unter all den Stylern nun wirklich nicht verdient.