Fußball aus der Waschküche

Das Theaterstück „Heiß auf 2. Liga“ erzählt die Geschichte des HSV in zwei Stunden. Das ist unterhaltsam

Von Daniel Jovanov

Das Schöne am Dilemma des HSV ist, dass es nicht viel braucht, um es zu erklären. Denn es ist eine Geschichte, die sich seit Jahren wiederholt. Mit wechselnden Protagonisten, aber gleichen Resultaten. Eine Fehleinschätzung reiht sich an die nächste, ein Lerneffekt ist in den vergangenen Jahren stets ausgeblieben. Gil Mehmert („Das Wunder von Bern“) und Jörg Menke-Peitzmeyer ist es mit ihrem Theaterstück „Heiß auf 2. Liga“ gelungen, die Problematik des einst großen und stolzen HSV in zwei Stunden auf den Punkt zu bringen. Und seinen Absturz vom nationalen und internationalen Spitzenklub zum ersten Abstieg der Historie in die Zweitklassigkeit humoristisch aufzuarbeiten.

Die in den Hamburger Kammerspielen zu bestaunende Komödie dreht sich um einen jähzornigen und unberechenbaren Mäzen namens Rolf-Peter Hala, der seinem Klub mit Finanzspritzen zu altem Glanz verhelfen will, dabei aber auf die obskuren Ratschläge eines windigen Spielerberaters vertraut. Entgegen der Philosophie einer taffen Vorstandsvorsitzenden und eines jungen, aufstrebenden Trainers, Dietmar Trutz. Ihre heimliche Liebesaffäre wird ihnen im Verlauf der Geschichte zum Verhängnis und macht sie erpressbar, woraus der schlitzohrige Agent Kapital schlägt.

Er schwatzt dem Investor einen vermeintlichen Superstar aus Brasilien auf und präsentiert ein dubioses Geschäftsmodell, das mithilfe von Briefkastenfirmen in Steueroasen funktioniert. Ein Deal, an dem bis auf den HSV alle reich werden könnten. Diese und viele weitere Parallelen verleihen dem Stück eine kritische und aufklärerische Note und orientieren sich dabei stark an der Wirklichkeit. Die Figuren symbolisieren real existierende Verantwortungsträger des HSV, deren Charaktereigenschaften in einer überspitzen Darstellung aufs Korn genommen werden.

Ergänzt wird das Drama mit einem vielsagenden Bühnenbild, hauptsächlich einer Waschküche, in der die Maschinen nach einstigen Vereinslegenden benannt sind. Auffällig dabei: Einzig „Felix“ ist außer Betrieb. Ein Wink in Richtung Meistertrainer Magath, den noch immer viele Fans in einer offiziellen Funktion sehen wollen, wegen eklatanter Differenzen über die Ausrichtung des HSV aber vergeblich auf eine Rückkehr hoffen. Dass Investor Hala und seine Frau Luise, die als „Seele des Vereins“ gilt, die Politik ihres HSV maßgeblich aus einem Waschsalon heraus beeinflussen und sogar mitbestimmen können, verdeutlicht die schwache Stellung ihres Klubs. Er ist abhängig vom Geld eines irrationalen Finanziers, lässt sich zum Größenwahn verführen und sucht in seiner Vergangenheit nach Lösungen für die Gegenwart. Zulasten aller hehren Ziele, die vor jeder Saison aufgestellt werden.

Besonders hervorzuheben ist derweil die Rechercheleistung der Macher des Stücks. Ohne die Lektüre des einen oder anderen Fußballbuchs zum HSV und den Praktiken des Fußballgeschäfts fällt es schwer, die vielen Pointen zu verstehen. Für Kenner ist „Heiß auf 2. Liga“ aber eine gelungene Abwechslung zur nicht minder kuriosen Realität des Hamburger Sportvereins.

Mit Tobias Escher veröffentlichte Daniel Jovanov gerade das HSV-Buch „Der Abstieg – Wie Funktionäre einen Verein ruinieren“, Rowohlt 2018, 272 Seiten, 12,99 Euro