Flammende Geschöpfe und Freak Orlando

SCHWUL-LESBISCH-TRANSGENDER Beim 19. Queerfilm Festival in Bremen laufen vom 9. bis zum 14. Oktober 16 Filme auf den beiden Leinwänden des City 46. Die Bandbreite reicht vom Kostümdrama bis zum Musical

VON WILFRIED HIPPEN

Sie hat nicht einmal einen eigenen Namen! Albert Nobbs ist kein Mann, aber wenn sie je mit einem Frauennamen gerufen wurde, hat sie ihn selber soweit verdrängt, dass sie ihn nicht mehr kennt. Und sie ist auch nicht ein ins falsche Geschlecht geborener Mensch, der durch eine äußere Geschlechtsumwandlung seinen eigenen Wünschen folgt.

Albert Nobbs wurde zu einem Mann, weil sie eine Arbeitsstelle brauchte und Kellner gesucht wurden. Inzwischen ist er Oberkellner in einem Dubliner Hotel des späten 19. Jahrhunderts, und zahlt sein relative sicheres Auskommen mit einem freudlosen Leben und der ständigen Angst, entlarvt zu werden.

Albert ist nicht homosexuell, sondern scheint statt dessen völlig asexuell zu leben und wenn sie schließlich plant, ein junges Hausmädchen zu heiraten, dann nur weil sie eine Gefährtin braucht, mit der zusammen sie den kleinen Tabakladen betreiben würde, der ihr einziges Lebensziel zu sein scheint.

Was für eine zutiefst traurige Geschichte wird in diesem historischen Kostümdrama erzählt. Wie jämmerlich ist das Leben dieser armen Kreatur, die so angsterfüllt und verschüchtert ihre Tage verbringt, dass sie wie das blasse Abbild einer realen Persönlichkeit wirkt. Glenn Close war selten so gut wie hier, ihre schauspielerische Leisung wurde in diesem Jahr mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Sie spielt diese Figur als eine verlorene Seele: klein, grau, engherzig, unsympathisch, doch auch von einer herzzerreißenden Unschuld.

Der Film „Albert Nobbs“ basiert auf einer Kurzgeschichte des irischen Schriftstellers George Moore, und an der Adaption haben sowohl der Autor John Banville wie auch der ungarische Regisseur Istvan Szabo mit gearbeitet, der zuerst auch Regie führen wollte, dann aber von Rodrigo Garcia ersetzt wurde.

Das Ergebnis ist ein sensibel und komplex inszenierter Film, der von einem Menschen erzählt, der seine eigene Natur so rigoros verleugnet, dass er sich selber kaum noch erkennen kann.

Obwohl er gleich zweimal für den Oscar nominiert wurde, wird „Albert Nobbs“ in Deutschland nicht in die Kinos kommen. Bei dem 19. Queerfilm Festival Bremen bildet er dagegen einen der Höhepunkte, auch oder gerade weil er nicht so punktgenau in die schwul-lesbisch-transgender-Thematik verortet werden kann wie die anderen Filme im Programm.

Für das Festival ist der Umzug des Kommunalkinos von Walle in die Innenstadt ein Segen, denn nun können zwei Leinwände bespielt werden und dadurch ist das Programm auch vielfältiger geworden.

So ist jetzt auch ein Blick auf die Geschichte des schwul-lesbischen Films möglich, bei dem einzelne Werke sich gegenseitig ergänzen, etwa wenn neben der Dokumentation über die Filmemacherin Ulrike Ottinger „Die Nomadin vom See“ auch deren Camp-Avantgardewerk „Freak Orlando“ gezeigt wird.

Der schwule Aktivist und Filmkritiker Vito Russo wird in dem Porträt „Vito“ vorgestellt, und als Abschlussfilm wird am Sonntagabend wieder einmal die Dokumentation „The Celluloid Closet“ gezeigt, die auf Russos Analysen der Darstellungen von Lesben und Schwulen im kommerziellen Kino beruht.

Ein paar Glanzlichter der homosexuellen Filmgeschichte werden schließlich in dem Programm mit Kurzfilmen von Jack Smith präsentiert. Dieser war ein Freund, Kollege und Nachbar von Andy Warhol und begann in den 60er Jahren in New York Underground-Filme zu drehen, die die schwul-lesbische Subkultur feierten. Drei seiner Kurzfilme mit den vielversprechenden Titeln „Little Stabs at Happiness“, „Flaming Creatures“ und „The Yellow Sequence“ werden von der Kuratorin Karola Gramann vorgestellt.

Auch heute ist es bei einigen Filmen noch erstaunlich, dass sie überhaupt gemacht werden konnten. So ist etwa „Facing Mirrors“ von Negar Azarbayjani der ersten iranische Film, in dem positiv von einer Geschlechtsumwandlung erzählt werden kann.

Und dies ist nicht die einzige Transgression in diesem Film. Die eine Protagonistin bricht die Gesetze ihres Landes alleine schon darin, dass sie als Frau ein Taxi betreibt. Eine ihrer Kundinnen offenbart ihr, dass sie lieber ein Mann wäre und schon eine Geschlechtsumwandlung begonnen hat, doch nun auf den Pass für ihre Ausreise nach Deutschland wartet, wo sie weiter behandelt werden kann. Der Film spielt zum großen Teil in der Taxe und zeigt, wie die beiden so unterschiedlichen Frauen sich langsam einander annähern.

Natürlich darf auf einem Queerfilm-Festival auch jeweils eine Romanze mit schönen Männern (“Let My People Go“) und starken Frauen (“Kyss Mig“) nicht fehlen. Und als Aufheizer für die Samstag Nacht ist ein schrilles Musical fast schon Tradition.

In dem Spielfilm „Leave it On The Floor“ wird die Ball-Voguing-Community in Downtown Los Angeles gefeiert, die Hofbälle als Wettbewerbe abhält, bei denen es darum geht, die schillerndsten Kostüme und bizarrsten Auftritte zu organisieren.

weitere Informationen unter www.queerfilm.de