Russisch-chinesische Beziehungen: Panzer rollen lassen

Das russisch-chinesische Manöver „Wostok“ ist die größte Übung seit Sowjetzeiten. Sie zeigt: Die beiden Staaten rücken enger zusammen.

Russische Soldaten im Einsatz in Ostsibirien

Militärmanöver Wostok gestartet: Russische Soldaten im Einsatz in Ostsibirien Foto: ap

MOSKAU taz | 300.000 russische und befreundete Soldaten sind seit Dienstag bis zum Wochenende im südlichen und östlichen Teil Sibiriens im Manövereinsatz. 1.000 Flugzeuge und 80 Kriegsschiffe der Nordmeer- und Pazifikflotten nehmen an der Übung „Wostok-2018“ teil. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist kein Mann der vielen Worte. Die Dimension der Übung hatte unterdessen auch ihn ergriffen. „Stellen Sie sich vor, 36.000 Einheiten Militärtechnik sind zur gleichen Zeit in Bewegung“, schwärmte der General.

„Wostok 2018“ wird in Russland mit der größten Militärübung der Sowjetzeit verglichen. An dem Manöver „Sapad-81“ (Westen-81) nahmen 1981 rund 150.000 Soldaten aus den Staaten des Warschauer Paktes teil.

Die Daten des sibirischen Unternehmens lassen den früheren Einsatz bescheiden aussehen. Und noch etwas ist neu. Die Volksrepublik China wird auch an den Übungen teilnehmen. 3.200 chinesische Soldaten der Volksarmee kommen mit Flugzeugen, Hubschraubern und Panzern zum Einsatz.

Kooperation auf militärischer Ebene hatte es zwischen Russland und China in den letzten Jahren häufiger gegeben. Seit 2003 hielten beide rund 30 gemeinsame Übungen ab. Sollten die Chinesen nun auch Zugang zu Geheimnissen strategischer Planungen erhalten? Das lockere Zweckbündnis hätte dann an politisch-militärischer Bedeutung dazugewonnen. Bislang waren Einblicke in die strategische Verteidigungsbereitschaft Russlands nur engen Verbündeten wie Weißrussland vorbehalten.

Tiefes Misstrauen

Trotz Annäherung überwog bei beiden ein tiefes Misstrauen. Mutiert der ehemalige chinesische Aggressor nun zum vorübergehenden „Abschnittsgefährten“, um Washingtons Dominanz zu begegnen?

Der Kreml buhlt seit Längerem um Zuwendung des chinesischen Staatschefs Xi Jinping. Inzwischen liefert Moskau sogar High-Tech-Rüstungsgüter nach China. Noch vor Kurzem wäre dies undenkbar gewesen, weil russische Rüstungsfirmen chinesische Nachahmer fürchteten.

Alexander Gabujew, Sinologe

„Russland sieht in China keine militärische Bedrohung mehr“

Seit der Annexion der Krim hat die Isolation des Kremls Vorbehalte gegenüber dem Nachbarn abgebaut. „Russland sieht in China keine militärische Bedrohung mehr“, meint der Sinologe Alexander Gabujew vom russischen Carnegie Institut.

Es ließe sich auch anders deuten. Dass der politische und wirtschaftliche Druck, der auf Russland lastet, sich in China zurzeit ein Ventil sucht. Wladimir Putin und dessen engere Umgebung verfolgen dieses Ziel. Die übrige Elite sieht solche Avancen skeptisch. Dort überwiegt die Furcht, geopolitisch zum Juniorpartner degradiert zu werden.

Signale an Trump

Gleichwohl rücken beide Seiten auf den ersten Blick enger zusammen. Zeitgleich mit den Manövern in Sibirien weilt Xi Jinping auf dem Wirtschaftsforum in Wladiwostok. China sendet Signale an Trump, dass das Reich der Mitte noch über andere Optionen verfügt.

Auch wenn beide Autokraten der Hang zum Autoritarismus verbindet, die Chinesen gehen vorsichtiger vor. Peking wird den USA nicht direkt Widerstand leisten. Auch zu militärischen Auseinandersetzungen ist China weniger bereit als Russland, das im Nahen Osten gerade ein großes Risiko eingeht. China will eher Wirtschafts- denn Militärmacht sein.

Wie wichtig für den Kreml die militärische Dimension ist, bewies die Begeisterung des Verteidigungsministers über die Stückzahlen der Rüstungsgüter. Der russische Militärexperte, Alexander Golts, hält die Manöver­angaben für „Wostok 2018“ für übertrieben.

Maximal bis 40.000 Wehrdienstleistende seien wohl im Einsatz. Auch die 36.000 Stück Technik dürften überzeichnet sein, da die Wehrkreise im Osten nicht über so viel Technik verfügten. Die hätte aus dem europäischen Teil ­herangeschafft werden müssen. Hoffentlich glaube Putin nicht, dass sich 300.000 Mann mal eben in den Osten verschieben lassen, so Golts.

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