berliner szenen
: Notizen auf der Parkbank

Ich habe es verdient, den besten Tisch des Pavillons am Kanal zu kriegen, nachdem ich drei Tage lang gegen extremen Bauchschmerzen und Erschöpfung kämpfte, ohne die spätsommerliche Sonne zu sehen, außer mit dem Augenwinkel aus dem Schlafzimmerfenster. Gut, dass eine Freundin mit Cola und Salzstangen vorbeikam und mir Gedichte auf Spanisch vorlas. Sie verstand nicht alles, und ich suchte die Energie, um ihr ein paar Worte (etwa „Brustwarze“) zu übersetzen. Mit der Freundin trinke ich am Sonntag wieder Cola, die ich mit der Tabakpackung zudecke, um den Wespen den süßen Tod zu ersparen.

Nachdem die Freundin fort ist, kann ich meinen Hunger auf Waffeln nicht mehr unterdrücken und versuche mit vollen Magen zu arbeiten. Eine junge Frau fragt, ob sie sich neben mich sitzen kann – der Platz ist eben begehrt. Sie holt sich einen Kaffee, und ich verstecke währenddessen das Buch, das ich wegen eines Interviews lesen muss. Ich schäme mich dafür zu glauben, sie könnte denken, dass ich wirklich lese. Ob es mich störe, wenn sie rauche, fragt sie. Ich zeige auf meinem improvisierten Deckel und drehe auch eine. Nach ein paar Zügen drückt sie die Zigarette energisch aus. Ich mustere sie von oben bis unten: Käppi mit Cricketclub-Logo, Perlenkette, Kleid, Reisetasche aus Leder, als käme sie direkt aus einer Vintage-Boutique.

Aus der Tasche nimmt sie plötzlich eine Bild am Sonntagund fängt an zu lesen. Dann markiert sie mit einem Kuli verschiedene Stellen, notiert etwas am Rande der Artikel und macht die nächste halbe Kippe aus. „Siehst du?“, stelle ich mir vor, dass das von mir verstecktes Buch sagt. „Es gibt nichts, wofür man sich schämen muss.“ Vielleicht arbeitet sie auch, denke ich, aber komme nicht dazu, sie zu fragen: Mir ist plötzlich wieder schlecht, ich muss sofort zurückfahren.Luciana Ferrando