Twitter zu angeblichem Hitlergruß: Die Absurdität von Fake-News

Ein gefakter Hitlergruß von Feine-Sahne-Fischfilet-Sänger „Monchi“ löst eine Twitterdiskussion aus. Die „Bild“ teilt Gerüchte und ruft zur Recherche auf.

Sänger von Feine Sahne Fischfilet beim Singen mit Mikro auf der Bühne

Sänger „Monchi“ von Feine Sahne Fischfilet auf dem #wirsindmehr-Konzert gegen Rechtsextremismus Foto: imago/Future Image

„Können wir uns darauf einigen, dass der Hitlergruß nicht okay ist?“, fragte der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen während seines Bürgergespräches nach den Großdemonstrationen in Chemnitz. Gegen mehrere Teilnehmer der Veranstaltungen, zu denen unter anderem die rechtsextreme Initiative „Pro Chemnitz“, die AfD und die ausländerfeindliche Pegida aufgerufen hatten, wird wegen ebenjener Geste ermittelt. Zwischenzeitlich kursierten sogar Gerüchte, dass „linke Journalisten“ diese gefaket hätten, was sich aber als unhaltbare Behauptungen herausstellte. Dies blieben nicht die einzigen „Fake News“.

Nun gibt es eine neue Hitlergruß-Diskussion. Losgetreten hat sie Julian Reichelt, Chefredakteur der BILD-Zeitung. Montagabend, nach dem Konzert in Chemnitz unter dem Motto „#wirsindmehr“, twitterte er einen Screenshot von Sebastian Schmidtke. Darauf sollte ein angeblichen Hitlergruß des Feine Sahne Fischfilet-Sängers Jan Gorkow, besser bekannt als „Monchi“, zu sehen sein. Dazu schrieb Reichelt: „Auf Twitter kursiert ein Foto von @feinesahne Sänger Gorkow, der in Chemnitz den Hitlergruß zeigen soll. Allerdings weist das Foto am Handansatz zwei auffällige Pixel auf, die auf Montage hindeuten könnten. Handelt es sich um eine Fälschung? Wer kann helfen?“

Schmidtke ist ehemaliger NPD-Landeschef von Berlin, der schon wegen Volksverhetzung und Körperverletzung vor Gericht stand. Während der „Trauermärsche“ und „Pro Chemnitz“-Demos war die NPD breit vertreten, und das oft mit eindeutigen Zeichen. Ermittlungen wegen dem Benutzen des Hitlergrußes und „verfassungswidrigen Kennzeichen“ laufen, und die Vermutung liegt nahe, dass die NPD hier mitgemischt hat. Reichelt rechtfertigte das Nutzen einer solch problematischen Quelle mit Dokumentationszwecken.

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Die Forderung Schmidtkes nach Strafverfolgung, mit dem Verweis darauf, die Woche zuvor sei „ja auch wegen allem ermittelt“ worden, zielt darauf ab, die tatsächlichen Straftaten zu relativieren. Nach der Verschiebung der Grenze des Sagbaren soll nun auch die der Symbolik ausgeweitet werden. Wie weit Chemnitz hier in Teilen schon abgestumpft ist, zeigt Kretschmers Ringen um Konsens auf grundlegendste Verbote.

Wütende bis satirische Kritik

Der Vorfall zeigt, wie problematisch es für einen Journalisten ist, Gerüchte auf Twitter zu teilen. Daran ändert auch eine halbherzige Einschränkung durch die Frage, ob das denn eine Fälschung sei, nichts. Twitter-Nutzer entlarvten das Bild schnell als Fake – eine Arbeit, die ein Journalist, der die „Zwei Quellen-Regel“ kennen sollte, normal selbst erledigt.

Schnell traten andere Twitter-Nutzer dem Gerücht sachlich entgegen. Morten Wenzek, selbst beschäftigt bei BILD, verlinkte als Antwort das Video von dem fraglichen Vorfall, das klar zeigt: Es war kein Hitlergruß, den „Monchi“ hier zeigte, sondern kämpferisches Gestikulieren. Sogar die Polizei Sachsen meldete sich, und kommentierte die unbestätigte Meldung: „Erste Ermittlungen ergeben aus unserer Sicht nur einen Schluss: Das Foto ist ein Fake!“

Weitere Twitter-User reagierten emotionaler. Reichelts journalistische Fähigkeiten wurden in Frage gestellt, andere waren der Meinung, er wisse sehr genau um die Provokation. Die Idee, der Sänger einer linken Band, die eben gerade gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit angespielt hatte, könne rechtsextreme Symbolik benutzen, wurde als weltfremd abgetan. „Propaganda“, „Brandstiftung“, „Hetze“ lautete die Kritik an dem Post.

Jan Böhmermann beteiligte sich in gewohnter Manier mit Satire. Er postete eine – offensichtlich gefakte – Collage, die Reichelt bei einem vermeintlichen Hitlergruß und mit eingenässter Hose zeigen soll. Als Grundlage nutzte er ein bekanntes Foto von zwei Zuschauern der rassistischen Angriffe in Rostock-Lichtenhagen 1992 von Fotograf Martin Langer. Dazu fragte er, ob ihm jemand helfen könne, herauszufinden, ob dieses Foto Fake sei. In den Antworten darauf wurden immer absurdere Thesen aufgestellt. Feine Sahne Fischfilet retweetete Böhmermanns Post – weiter äußerten sie sich nicht zu dieser Twitter-Posse.

Verschiedene Medien sind dabei, die Fake-News der letzten Tage aufzuarbeiten. In die Welt gesetzt wurden sie meist von rechten Netzwerken. Von einem angeblichen zweiten Toten in Chemnitz bis hin zu einer vermeintlichen betrunkenen Gegendemonstrantin wars alles dabei.

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