Nicht ärgern lassen!

PRÄVENTION Wie eine Arbeitsgruppe der Berliner Polizei versucht, migrantische Gruppen auf Provokationen durch rechte Parteien und Organisationen vorzubereiten

VON OTTO DIEDERICHS

Ob die von der rechten „Pro Deutschland“-Gruppierung geplante Vorführung des islamfeindlichen Mohammed-Schmähvideos stattfinden wird, ist noch offen. Die Berliner Kinos haben schon angekündigt, den Hetzfilm nicht zu zeigen. Klaus Röchert und Christian Horn ist das egal – ihnen beschert allein die Ankündigung Arbeit. Die beiden Polizeihauptkommissare sind Mitarbeiter des 16-köpfigen „Arbeitsgebiet Integration und Migration“, kurz Agim, in der Polizeidirektion 5, zuständig für Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. In Gesprächen mit der muslimischen Gemeinde, Migrantenorganisationen und zahlreichen Vereinen werden sie versuchen, eine Eskalation des Konflikts zu verhindern. Die größte Herausforderung sind dabei die nur schwer kalkulierbaren Reaktionen muslimischer Jugendlicher, gesteht Röchert.

Röchert ist Leiter der Agim, Horn sein Stellvertreter. Wie echte Bullen sehen die zwei eigentlich nicht aus. Röchert wirkt eher wie der Papi-Typ aus dem Schrebergarten; an Horns Handgelenken mogeln sich großflächige Tattoos aus den Ärmeln der Hertha-BSC-Trainingsjacke.

Bereits im Sommer standen sie vor einer ähnlichen Aufgabe. Im August hatte „Pro Deutschland“ versucht, mit der Zurschaustellung der umstrittenen dänischen Mohammed-Karikaturen vor Berliner Moscheen zu provozieren. Um gewalttätige Auseinandersetzungen wie in Nordrhein-Westfalen zu verhindern, hat Röcherts Agim damals Gesprächsrunden organisiert, mit den Betroffenen mögliche Gegenreaktionen beraten und die sich daraus ergebenden Polizeimaßnahmen erläutert. Bekanntlich ist alles gut gegangen. Das Gleiche steht auch nun wieder an.

„Unsere Aufgabe ist die Prävention“, sagt Agim-Chef Röchert. Dazu unterhalten sie engen Kontakt zu allen relevanten migrantischen Organisationen und Moscheen, sie bilden die eigenen Kollegen weiter und gehen in Schulen. Dort versuchen sie, mit Schülern und Lehrern Problemlösungen zu suchen. In besonders schwierigen Fällen suchen sie auch die Eltern der Schüler auf. „Die haben ja keine Angst vor der Polizei“, sagt Röchert, „aber vor dem Jugendamt.“ Und der schlimmste Fall für die Eltern sei stets eine drohende Vorstellung ihres Kindes bei einem Psychologen.

Hervorgegangen ist das Agim 2008 aus dem 1971 gebildeten „Arbeitsgebiet Ausländeraufklärung“ (AGA), das seinerzeit auch eine stark repressive Komponente hatte. Seither hat sich viel getan. Seit 28 Jahren ist Klaus Röchert dabei, Christian Horn seit 15. Stadtweit arbeiten etwa 65 Beamte und Beamtinnen in solchen Gruppen.

Die „Brückenbauer“

In der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm scheinen nahezu alle Röchert und sein Team zu kennen. „Die kommen öfter mal auf einen Tee vorbei. Und mit den Älteren duzen sie sich längst“, sagt Ender Setin. Seit 2004 hält er den Kontakt zum Agim. Es bestehe ein enges Vertrauensverhältnis, man verstehe sich gegenseitig als „Brückenbauer“, meint Setin. Für Problemsituationen – etwa, wenn bei der Moschee ein Drohbrief eingehe – könne man die Agim-Leute rund um die Uhr anrufen.

„Entscheidend sind für uns die Vorfeld-Informationen“, berichtet Röchert: Was ist wann und warum passiert und was planen die Betroffenen nun? Vergleichbares gilt bei Problemen mit der Ausländerbehörde. „Wir betreiben Netzwerkarbeit und wir sind die am stärksten vernetzte Gruppe in Berlin.“ Schon zwangsläufig stellt sich da die Frage nach der Sprachkompetenz. Röchert hat in seinem Team Muttersprachler für Türkisch, Arabisch und Jugoslawisch. Er und Horn sprechen selbst etwas Türkisch. Aber eigentlich sei das „nicht zwingend“. Denn bei fast allen Sprachproblemen könne man einfach auch einen sprachkundigen Streifenbeamten hinzubitten.

Und wie wichtig ist die repressive Arbeit noch? Auch die gebe es natürlich, sagt Horn, mache aber nur um die 25 Prozent aus. Etwa bei Passvergehen und Abschiebungen. „Aber auch da sagen wir erst mal: ‚Mensch, besorg dir doch ein Ticket und reise freiwillig aus. Dann hast du die Chance, in ein paar Jahren wiederzukommen‘“, sekundiert sein Chef Röchert.