Moskau plant Auferstehung auf seinem Atomfriedhof

RUSSLAND Norwegen alarmiert über geplante „subkritische“ Atomtests auf Polarinseln

Auf Nowaja Semlja explodierten bisher 132 Atombomben

VON REINHARD WOLFF

STOCKHOLM taz | „Heute sind es subkritische Tests“, sagt Alexander Nikitin. „Aber welche sind es morgen?“ Der Vorsitzende der russischen Sektion der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona reagiert kritisch auf russische Medienmeldungen, wonach Moskau plane, die Funktionsfähigkeit seiner Atomwaffen auf Nowaja-Semlja zu testen. In Nordeuropa rufen solche Tests nämlich die Erinnerung an Zeiten wach, als diese Arktisinsel das größte sowjetische Atomwaffentestgebiet war. Beginnend 1955 waren hier in dreieinhalb Jahrzehnten 132 Atombomben explodiert, darunter die größte je gezündete Wasserstoffbombe. Nicht nur den Lichtschein konnte man damals teilweise vom knapp 1.000 Kilometer entfernten Norwegen aus sehen: Die strahlenden Hinterlassenschaften der Tests werden dort bis heute im Boden gemessen.

Um solche Tests geht es jetzt nicht. Bei den jetzt offenbar geplanten „subkritischen Tests“ werden unterirdisch mehrere hundert Kilo chemische Explosivstoffe mit kleinen Mengen waffenfähigem Plutonium gezündet. Diese Tests sollen das Verhalten des Plutoniums zeigen und können zur Prüfung der Funktionsfähigkeit von lange gelagerten, aber auch der Entwicklung neuer Atomwaffen dienen.

Die USA veranstalten im Rahmen ihres „Stockpile Stewardship“-Programms regelmäßig subkritische Tests auf ihrem Testgelände in Nevada – zuletzt vor einem Monat. Russland hatte von 1998 bis 2000 solche Tests auf Nowaja-Semlja vorgenommen, seither nicht mehr.

Militärische Vorbereitungen und die Sperrung von Infrastruktur, über die die norwegische Webpublikation Barentsobserver berichtet, deuten auf einen baldigen Testbeginn hin. Weder das russische Verteidigungsministerium noch die russische Atomenergiebehörde Rosatom wollten auf Anfrage norwegischer Medien die Meldungen kommentieren.

Über das eigentliche Testgebiet hinausreichende Umweltgefahren sind mit subkritischen Tests nicht verbunden, betont der Bellona-Atomexperte Igor Kudrik. Problematisch sei aber, dass sie in einem „Atomfriedhof“ stattfänden: Nowaja-Semlja war nicht nur Atomwaffentestgelände, hier lagern auch ausgediente Atomreaktoren und Tausende Container mit Atommüll.

Kudrik beunruhigt aber vor allem die politische und militärische Dimension der Tests. Wenn Russland sich nicht mehr auf Laborversuche beschränke, „kann das bedeuten, dass man etwas Größeres vorbereitet, möglicherweise einen normalen Atomwaffentest“. Der im Jahr 1996 verabschiedete Kernwaffenteststoppvertrag würde einen solchen Test nicht verbieten, da er nicht in Kraft ist.