Wachstumsprognosen glatt halbiert

KONJUNKTUR Die Wirtschaft wird 2013 nur wenig mehr produzieren, schätzen Forscher – aber nicht alle

BERLIN taz | Die Null steht, zumindest vor dem Komma. Reihenweise korrigieren Wirtschaftsforscher derzeit ihre Vorhersagen zum Wachstum in Deutschland nach unten. Am Donnerstag prognostizierte das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) für 2012 ein Wachstum von 0,6 Prozent. Im nächsten Jahr soll es bei 0,4 Prozent liegen. Hauptgrund seien schlechte Aussichten in den USA, sagte IMK-Chef Gustav Horn. „Wenn nichts geschieht, wird es dort 2013 kein Wachstum geben.“

Zuvor hatten Forscher aus Köln, Halle, Kiel und Essen ihre Wachstumsschätzungen für 2013 deutlich nach unten korrigiert. Im Frühsommer erwarteten die Ökonomen im Schnitt noch rund 2, nun rechnen sie mehrheitlich mit weniger als 1 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen. Die Stimmung in deutschen Chefetagen ist so laut ifo-Institut so schlecht wie zuletzt vor zweieinhalb Jahren.

Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet dagegen in Deutschland und in den USA 2013 mit 1,6 Prozent Wachstum. Der Grund: „Die derzeit schwächelnden Schwellenländer feuern aus allen Rohren, um 2013 wieder zur Lokomotive der Weltwirtschaft zu werden.“ In der Eurozone sei die Talsohle erreicht. 2013 sei dort eher mit leichtem Wachstum zu rechnen. Das IMK rechnet dagegen mit einer Schrumpfung von 0,7 im nächsten und 0,5 Prozent in diesem Jahr. Nur in einem sind sich alle einig: Entlassungen werden in Deutschland auch 2013 die Ausnahme bleiben.

Magere Wachstumsraten müsse niemand fürchten, sagt der Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel. Wohlstand bemesse sich schon lange nicht mehr allein am Materiellen – und dass eIne alternde, wohlhabende Gesellschaft immer weniger wachse, sei normal.

WENDELIN SANDKÜHLER