Kampf um alte Zahlen

Hamburg klagt gegen verlorene Größe

Das ist mal ein Liebhaber-Thema, das viele betrifft: Am Mittwoch, knapp drei Jahre vor Beginn der nächsten Volkszählung, verkündet das Bundesverfassungsgericht, ob Hamburg und Berlin durch den Zensus 2011 unverhältnismäßig kleingerechnet wurden. Die glauben das nämlich.

Oder ob das Ergebnis der Hochrechnung auf Basis der Befragung von zehn Prozent der Bevölkerung zurecht als amtliche Bevölkerungszahl festgelegt wurde. Wichtig ist das, weil die auch den Ausgangswert für die Berechnung bildet, wohin was fließt vom Steuergeld.

Viele geht das an, weil’s eben nicht nur Hamburger*innen betrifft – laut Statistiker*innen sind das eh 82.800 weniger als bislang gedacht. Sondern: weil über 300 anhängige Verfahren von Städten und Gemeinden in Erwartung des Karlsruher Spruchs seit Jahren ruhen.

Nur in Bremen gibt’s bereits ein erstinstanzliches Urteil – das bis heute nicht rechtskräftig ist: Das Verwaltungsgericht hatte 2014 die Klage Bremerhavens abgewiesen. Denn weder gebe es ein Anrecht, komplett durchgezählt zu werden, noch sei zu beanstanden, dass die Statistiker auf unterschiedliche Gemeindegrößen mit unterschiedlichen Rechenmethoden reagiert hatten. Wichtig sei allein, dass „die Ergebnisgenauigkeit nicht übermäßig differiert“ – was sich nur durch eine Rückspiegelung der Daten mit den Melderegistern prüfen ließe. Die aber ist verboten: Datenschutz.

An einem ähnlichen Punkt hatte auch Andreas Voßkuhle bei der mündlichen Hamburg-Berlin-Verhandlung im vergangenen Herbst in Karlsruhe nachgehakt: „Sie erheben Daten und vergleichen sie“, so der Präsident des Bundesverfassungsgerichts an die Adresse der Zensus-Expert*innen, „es gibt aber keinen externen Maßstab, sondern die Daten werden am Maßstab dessen gemessen, was man selbst erhoben hat. Versuchen Sie nicht, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen?“

Finden die Statistiker*innen jetzt eher nicht: Es ist halt ein Modell, es hat eine gewisse Fehlererwartung, und irgendwie lässt es sich sogar noch optimieren – aber nicht korrigieren. Dazu müsste es die Gewissheit über eine wahre Bevölkerungszahl geben, das Ding an sich oder die Wirklichkeit. Die aber, sagt Kant, liegt jenseits aller Erfahrungsmöglichkeit. Benno Schirrmeister