Delikates Geschenk

Mit der Nations League will die Uefa die Gunst der kleinen Verbände gewinnen. Die heutigen Gegner Deutschland und Frankreich sind bereits Profiteure

Komplizierte Angelegenheit: Der deutsche Nationalspieler Mats Hummels bereitet sich in München auf die Nations League vor Foto: dpa

Aus München Marcus Bark

Dort, wo alles begann, geht es dann auch wirklich los. Astana, mehr als 4.000 Kilometer Luftlinie von den meisten Orten in Deutschland entfernt, ist der mitteleuropäischen Sommerzeit um vier Stunden voraus. Am Donnerstag, kurz vor 20 Uhr Ortszeit, wird die Hymne der Nations League erstmals vor einem Spiel dieses neuen Wettbewerbs ertönen. Kasachstan trifft in der Astana Arena auf Georgien.

Knapp fünf Stunden später spielt dann Deutschland gegen Frankreich. Es ist das Duell des abgelösten Weltmeisters gegen den neuen. Ein solches Duell lässt sich bestens verkaufen, daher schwindelt der europäische Fußballverband auf seiner Internetseite auch ein bisschen, wenn er behauptet, dass Deutschland und Frankreich die „Uefa Nations League“ eröffnen würden.

Aber was sind schon ein paar Stunden bei einem Format, das in den Hirnen einiger Verbandsstrategen 2011 als Idee reifte und am 27. März 2014 bei einem Kongress der Uefa in der kasachischen Hauptstadt Astana beschlossen wurde. Einstimmig, wie in den Archiven nachzulesen ist, was ein wenig verwundert, wenn die Reaktionen in den Archiven nachgelesen werden. „Wir sind sehr überrascht, dass dieses Thema in Astana ohne Vorankündigung auf die Tagesordnung gekommen ist und ein so weitreichender Beschluss getroffen wurde“, nörgelte Reinhard Rauball, damals wie heute Präsident der Deutschen Fußball Liga.

Der damalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes sagte in Astana auch etwas. „Ich verhehle nicht, dass wir im gesamten Verlauf der Diskussion die Bedenken des DFB gegen die Nations League hinterlegt haben.“ Dieser Satz stammt von Wolfgang Niersbach, der seinen Platz heute in der Reihe der tief gefallenen Fußballfunktionäre hat. Er stürzte über verworrene Geldflüsse, die bis heute darauf warten, geklärt zu werden. So erging es auch Michel Platini, dem einstigen Weltklassefußballer.

Zu gerne hätte er seinem Landsmann Hugo Lloris im Juli 2018 die Trophäe für den Weltmeister in die Hand gedrückt. „Eigentlich hätte ich diesen Pokal übergeben müssen. Das tat mir zu weh. Ich bin ins Bett gegangen“, jammerte Platini kürzlich in einem Gespräch mit der Sportzeitung L’Equipe. Der Franzose wollte Präsident des Weltverbandes Fifa werden.

Dass Platini ein paar Schritte vor seinem Lebensziel fiel, verbittert ihn. „150 Verbände wollten mich wählen, drei Trottel wollten das verhindern, und die Trottel haben gewonnen“, sagte er zur L’Equipe. Präsidenten der Uefa – wie auch der Fifa – werden von den Mitgliedsverbänden gewählt. Die Stimme des Kosovo ist für die Kandidaten so wertvoll wie die Stimme des Deutschen Fußball-Bundes. Wer auf den Thron will, muss die kleineren Verbände hinter sich versammeln. Paul Philipp, Präsident des luxemburgischen Fußballverbandes, gibt sich als Freund des neuen Wettbewerbes aus: „Wir freuen uns auf die Nations League, jedoch unter der Bedingung, dass die ‚normale‘ Qualifikation auch auf Dauer weiterhin bestehen bleibt.“

Kleinere Verbände fürchten, mit der Nations League könnte die EM-Quali eingestellt werden

Der komplizierte Modus sieht vor, dass über die Nations League Startplätze bei der EM erspielt werden können, etwa für die Ausgabe 2020, die in zwölf Städten in zwölf Ländern ausgetragen wird. Auch das boxte Platini durch, um bei den kleineren Verbänden Sympathien zu gewinnen. Ebenjene sieht der luxemburgische Präsident in ihrer Existenz bedroht, falls die Großen eine Vorqualifikation durchsetzen. „Es wäre in der Tat eine Katastrophe, wenn die Nations League der Vorreiter wäre, um die herkömmliche Qualifikation für die EM und/oder WM abzuschaffen“, gibt Paul Philipp zu bedenken. „Traum und Ziel“ eines jeden jungen luxemburgischen Spielers sei es, gegen Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland oder England antreten zu dürfen: „Dieser Traum darf nicht durch eine Vorqualifikation zerstört werden.“

Derzeit sehe er die Gefahr nicht, sagte Rainer Koch. Der DFB-Vizepräsident nennt die Nations League ein Entgegenkommen in Richtung der kleineren Verbände. Sie hätten immer Probleme gehabt, namhafte Gegner für Testspiele zu gewinnen.

Bei schwächeren Gegnern ist die Vermarktung schwieriger, entsprechend geringer sind die Einnahmen. In der Nations League schüttet die Uefa Geld aus einer zentralen Vermarktung aus. Luxemburg aus der schwächsten Division erhält garantiert eine halbe Million Euro, der DFB aus der stärksten Division 1,5 Millionen. „Die Einnahmen sind weniger interessant als bei der herkömmlichen Qualifikationsrunde, in der alle Verbände zugelost werden können“, sagte Paul Philipp. Für seine Mannschaft geht es am Sonnabend mit einem Heimspiel gegen Moldawien los. Die weiteren Gegner sind Weißrussland und San Marino. Etwa 1.000 Dauerkarten für die Nations League seien verkauft, teilte der Verband mit. Die Arena in München wird mit 68.000 Zuschauern ausverkauft sein. Rainer Koch sagte: „Seien wir ehrlich, das hätten wir bei einem Freundschaftsspiel gegen Frankreich nach der WM vielleicht nicht geschafft.“