das portrait
: Als Erdoğans rechte Hand attackiert Süleyman Soylu nicht nur die Kurden

Foto: Burhan Ozbilici/ap

Wer in Deutschland von Süleyman Soylu noch nichts gehört hatte, lernte ihn in der vergangenen Woche kennen. Da ließ er als Innenminister die seit über dreißig Jahren stattfindenden stillen Protestkundgebungen der sogenannten Samstagsmütter verbieten, die immer am Wochenende Aufklärung über verschwundene Angehörige einforderten, die oft schon vor Jahren von Polizei oder Militär verschleppt worden waren und danach nie wieder auftauchten. Weil es bei vielen dieser Fälle um Kurden geht, erklärte Süleyman Soylu die Samstagsmütter zu Unterstützerinnen der „PKK-Terroristen“.

Wer Soylu schon länger kennt, wunderte sich allerdings nicht über jenes Verbot – gilt der Mann doch als absoluter Hardliner im Umgang mit der Kurdenfrage. Unmittelbar nachdem die kurdisch-linke HDP bei den Wahlen am 24. Juni erneut ins Parlament in Ankara gekommen war, machte Soylu mit einer selbst für seine Verhältnisse extremen Aktion von sich reden.

Anlass war ein brutaler Mord der PKK an einem Wahlbeobachter der AKP in Doğubeyazıt, einer Stadt im Osten, kurz vor der iranischen Grenze. Süleyman Soylu machte nicht nur umstandslos die HDP für diesen Mord verantwortlich, sondern rief auch noch persönlich die Ko-Vorsitzende der Partei, Pervin Buldan, an und richtete ihr aus, sie und die HDP insgesamt hätten kein Recht mehr zu leben und sollen aus der Türkei verschwinden.

Dabei kommt Soylu ursprünglich gar nicht aus der nationalistischen Ecke, sondern gehörte noch lange, nachdem die AKP im Jahr 2002 die Regierung übernommen hatte, zur bürgerlichen Opposition. Erst die Erfolglosigkeit der früheren bürgerlichen Rechten trieb ihn 2010 in Richtung AKP. Dort wurde Erdoğan persönlich auf ihn aufmerksam und holte ihn 2012 in die Partei, wo er schnell Karriere machte. Schon 2015 wurde der heute 48-Jährige, ein Betriebswirt und Börsenmakler, verheiratet, ein Sohn, AKP-Abgeordneter und auch gleich Minister für Arbeit und Soziales.

Doch schon ein Jahr später, direkt nach dem Putschversuch im Juli 2016, machte Erdoğan ihn zum Innenminister. Süleyman Soylu, der mittlerweile zum engsten Kreis um Erdoğan gehören soll, führte sich in seiner neuen Position gleich mal damit ein, dass er die USA als Drahtzieher des Putsches beschuldigte.

Seitdem exekutierte er den Ausnahmezustand und dehnte die Verhaftungswellen schnell über den Kreis der Gülen-Sekte, die für den Putsch verantwortlich sein soll, auf alle möglichen Gegner und Kritiker von Erdoğan aus. Die Verhaftungen der Cumhuriyet-Journalisten, vor allem aber Hunderter HDP-Funktionäre und -Anhänger gingen vor allem auf sein Konto. Als Erdoğan nach den Wahlen im Juni dieses Jahres den Ausnahmezustand aufheben ließ und sein Kabinett neu aufstellte, hofften viele, Soylu würde nun durch einen weniger harten Innenminister abgelöst. Doch Erdoğan hielt an Soylu fest – ausdrücklich mit der Begründung, dass auch nach dem Ausnahmezustand der „Kampf gegen den Terror“ nicht nachlassen werde. Wolf Wittenfeld