Fotos aus der Umkleide

Niedersachsen will Schutz vor sexueller Gewalt an Schulen verstärken und schließt sich Initiative an

Ein Lehrer fotografiert Schüler in den Umkleiden und erklärt hinterher, eigentlich sollten nur die Kacheln aufs Bild. Solche Fälle gebe es immer wieder, sagt Johannes Wilhelm Rörig, unabhängiger Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Eine Schule müsse klarmachen, dass so etwas nicht akzeptiert werde, sagte er.

Um den Schutz vor sexueller Gewalt und Belästigung an Schulen zu verstärken, hat sich Niedersachsen am Donnerstag der von Rörig angeschobenen Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ angeschlossen. Neun Bundesländer beteiligen sich bereits. Die Aktion soll Schulen dabei helfen, Konzepte zur Erkennung und Prävention sexueller Gewalt zu entwickeln. „Dazu gehört auch, dass es in der Schule eine Beschwerdestelle gibt, wo diese Schülerin sich hinwenden kann.“ Die dortige Vertrauensperson oder der Schulleiter müsste dann den Lehrer ansprechen. Doch nicht an jeder Schule gibt es eine solche Beschwerdestelle.

„Sexuelle Gewalt und sexuelle Belästigung sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, das vor Schule nicht halt macht“, sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Es dürfe aber kein Totschweigen in den Schulen geben. Das Kultusministerium hat daher eine neue Broschüre erarbeitet, die Schulleitern genaue Anweisungen zum Umgang mit Fällen von sexuellen Grenzverletzungen gibt. Der Bundesbeauftragte Rörig rät den Schulen, auch eine Analyse des Gefahrenpotenzials zu machen. „Lassen sich alle Schultoiletten abschließen? Gibt es ein Fotografierverbot in den Umkleideräumen der Sporthalle?“ Rörig empfiehlt aber, mit Augenmaß vorzugehen. „Natürlich darf ein Lehrer auf der Klassenfahrt ein weinendes Kind in den Arm nehmen, um es zu trösten.“

In Niedersachsen gibt es seit 2012 die Anlaufstelle für Opfer von Diskriminierung und sexueller Gewalt an Schulen und Kitas. Nach Angaben des Kultusministeriums gingen dort im vergangenen Jahr 145 Hinweise auf mögliche sexuelle Übergriffe ein – die höchste Zahl seit Gründung der Einrichtung. (dpa)