Rühriger Professor spekuliert auf einen Posten

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um die Mandate? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Köln II

Köln II?

Von der großen Ost-West Achse Aachener Straße gegen den Uhrzeigersinn hinunter bis zum Rhein erstreckt sich der Wahlkreis mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen und der niedrigsten Arbeitslosigkeit in Köln. Er umfasst das Gebiet Innenstadt Süd, Rodenkirchen und Lindenthal im Südwesten der Domstadt. Parks und Grünanlagen wie der zur Adenauer-Zeit in den 1920er Jahren angelegte Stadtwald prägen Lindenthal ebenso wie ein Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe etwa in Sülz oder die Universität, die mit über 40.000 Studierenden zu den größten Deutschlands zählt.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Lale Akgün. Die Islambeauftragte der SPD-Fraktion wurde 2002 mit 43,9 Prozent der Erststimmen direkt in den Bundestag gewählt. Dort hatte die 51-jährige Diplompsychologin nach eigener Einschätzung in den drei Jahren ihrer Tätigkeit im Innenausschuss allerdings meist die Aufgabe des Abnickens bei großen Gesetzesvorhaben. Als Mitglied des Europa-Ausschusses hat die gebürtige Istanbulerin explizit und nachdrücklich für eine Aufnahme der Türkei in die EU plädiert. Für Akgün, die seit 1962 in Deutschland lebt und seit 1981 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, dürfte der Wiedereinzug eine Zitterpartie werden. Ihr 28. Platz auf der Reserveliste bietet kaum Perspektiven. Die Mutter einer 16-jährigen Tochter gibt sich gelassen. Als Psychotherapeutin habe sie „gelernt, wie man mit Niederlagen umgeht“.

Wer will den Wahlkreis?

Rolf Bietmann (CDU). Der 51-jährige Rechtsanwalt, der seit 1975 für seine Partei in der Kölner Politik mitmischt, kam 2002 über die Landesliste in den Bundestag. Um seine Chancen auf Wiedereinzug zu verbessern, wechselte er eigens den Wahlkreis in der Hoffnung, im eher konservativen Südwesten diesmal ein Direktmandat zu erlangen. Innerparteiliche Kritiker bezeichneten den rührigen Professor bei seiner Aufstellung als „Belastung“; gegen Bietmann wurde noch im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Kölner Müllskandal ermittelt. Eine ernsthafte Konkurrenz stellen die Bundestagskollegen Volker Beck (44) und Werner Hoyer (53) nicht dar. Beck (Grüne) und Hoyer (FDP) haben indes jeweils einen sicheren 4. Listenplatz inne.

Die großen Außenseiter?

Matthias W. Birkwald (44). Der Diplomsozialwissenschaftler ist Direktkandidat der Linkspartei.PDS. Seit 2003 arbeitet er als Referent der Berliner Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS). Und wird das vorerst wohl auch weiterhin tun.

Die taz-Prognose?

Bietmann macht‘s. Und er darf sich wohl auch Hoffnungen auf einen Posten etwa als Staatssekretär in einer neuen Regierung unter Angela Merkel machen. Auch Volker Beck, der dem Bundestag seit 1994 angehört, und Werner Hoyer (seit 1987 im bundesdeutschen Parlament) erhalten ein Ticket für Berlin. Lale Akgün dürfte ihren früheren Job in der neuerdings CDU-geführten Landesverwaltung NRW wieder aufnehmen. HENK RAIJER