Sicherheitsrisiko Privatisierung

Die Autobahn in Genua wurde privat betrieben. Ist es besser, wenn der Staat die Verantwortung für die Straßeninfrastruktur behält?

Dem Betreiber drohen der Entzug der Lizenz und eine Strafe von 150 Millionen Euro

Von Lin Hierse

Italienische Regierungsmitglieder machen den privaten Autobahnbetreiber für den Einsturz der Autobahnbrücke verantwortlich, bei dem am Dienstag in Genua mindestens 37 Menschen ums Leben kamen.

Verkehrsminister Danilo Toninelli forderte das Management von Autostrade L’Italia am Mittwoch auf zurückzutreten. Die Regierung prüfe, dem Betreiber die Lizenz für die Straße zu entziehen, außerdem drohe eine Strafe von 150 Millionen Euro. Auch Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio sieht das Unternehmen in der Verantwortung: „Autostrade muss für die Instandhaltung sorgen und hat dies nicht getan“, sagte Di Maio dem italienischen Radiosender Radicale.

Die Diskussion über die Ursachen des Unglücks in Genua facht das Thema Autobahnprivatisierung auch in Deutschland neu an. Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclub Deutschland, sagte der taz, das Unglück in Genua liefere im deutschen Kontext ein zusätzliches Argument dagegen, Autobahnen privat betreiben zu lassen. „Der Druck auf private Betreiber ist groß, weil sie immer auch eine Rendite erwirtschaften müssen“, erklärte er. Aspekte der Daseinsvorsorge, des Umweltschutzes und der Verkehrssicherheit träten dabei in den Hintergrund. Der Staat müsse keine Gewinne machen. „Das Unglück bestätigt unsere Forderung, dass Straßeninfrastruktur eine staatliche Aufgabe ist, die nicht ausgelagert werden sollte“, so Lottsiepen weiter.

Auch Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand e. V. hat Sicherheitsbedenken. Es sei bekannt, dass private Autobahnbetreiber erhebliche Gewinne auf Kosten der Infrastruktur machten. Wegen der daraus entstehenden Gefährdungen fordert der Verein ein gesetzliches Verbot von sogenannten Öffentlich-Privaten-Partnerschaf­ten (ÖPP). „Der Staat darf die Verantwortung für Autobahnen nicht abgeben, damit so ein schreckliches Unglück hier nie passieren kann“, sagte Wasmuth.

Derzeit werden in Deutschland acht Autobahnabschnitte als ÖPP betrieben. Die Zahl sollte vergrößert werden, indem die Große Koalition im vergangenen Juli beschloss, die deutschen Autobahnen an eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft zu übertragen. Obwohl diese zu 100 Prozent in staatlicher Hand blieb, sahen die Gegner damals das Gemeinwohl in Gefahr, unter anderem, weil die Zusammenarbeit die Überwachung durch den Bundesrechnungshof erschwert. Im ÖPP werden die Autobahnen von privaten Investoren gebaut und betrieben. Im Gegenzug erhalten diese für 30 Jahre einen garantierten Anteil der Maut.

Die ehemals als ÖPP-Vorzeigeprojekt gedachte Kooperation mit dem Unternehmen A1 Mobil auf einem Streckenabschnitt Hamburg–Bremen erwies sich als problematisch und teuer. Das private Unternehmen hatte mit mehr Maut-Einnahmen gerechnet. In diesem Jahr erklärte es, ihm drohe die Insolvenz, und verklagte den Bund auf die Zahlung von 778 Millionen Euro. Im Mai schlug das Landgericht Hannover einen Vergleich vor, eine Entscheidung wird diesen Monat erwartet.