Sollen halt die Eltern zahlen

TagespflegerInnen sollen Eltern zur Kasse bitten, empfiehlt die Juristin des Sozialressorts – entgegen der offiziellen Politik. Lohnerhöhung zudem geringer als bei ErzieherInnen

In Wirklichkeit sind Tagesväter eher selten Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

Von Jan Zier

Wer sein Kind im Kindergarten hat, muss dafür inzwischen keine Beiträge mehr bezahlen – wer es aber von qualifizierten Tageseltern betreuen lässt, soll dafür extra bezahlen müssen. Das zumindest empfahl eine Juristin des Sozialressorts in einer Stellungnahme vor dem Oberverwaltungsgericht – obwohl die eigene Senatorin politisch etwas ganz anderes vertritt.

Vor dem Gericht klagt die Tagesmutter Elisabeth Lahusen gegen die Stadtgemeinde. Das Sozialressort erklärte im Rahmen des Verfahrens, dass es „weder sachfremd noch willkürlich“ sei, für Tagespflegepersonen ein Honorar festzulegen, das unterhalb der tariflichen Vergütung liege. Schließlich verfügten Tagespflegemütter und -väter üblicherweise nicht über die gleiche Qualifikation wie Kita-MitarbeiterInnen.

Und wenn doch, soll das der Markt regeln, findet das Ressort: Die Tageseltern könnten ja „Zusatzvergütungen für alle Tagespflegekinder vereinbaren“, schreibt die Juristin des Sozialressorts – „und damit unter Umständen weitaus besser gestellt werden, als abhängig Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen“.

Elisabeth Lahusen ist empört: „Die Behörde schlägt im Ernst vor, dass Tagesmütter Eltern abzocken.“ Das sei aber nicht in ihrem Interesse – auch wenn Eltern dazu bereit seien. Die Sozialbehörde rudert indes zurück: Nein, es gebe keine Empfehlung an TagespflegerInnen, doch einfach die Eltern abzukassieren, sagt Ressortsprecher Bernd Schneider, ganz im Gegenteil. Die Sozialbehörde habe sich um die Abschaffung der Zusatzbeiträge bemüht – sei damit aber vor Gericht gescheitert.

Die grüne Senatorin Anja Stahmann habe sich ausdrücklich gegen solche Zusatzbeiträge gewandt, betont Schneider. Warum die eigene Juristin bei Gericht das Gegenteil empfiehlt, kann er auch nicht recht erklären. Mittlerweile ist allerdings ohnehin die SPD-geführte Bildungsbehörde zuständig.

302 sogenannte Kindertagespflegepersonen werden derzeit von „Pflegekinder in Bremen“ (PiB) gelistet. Davon erhalten momentan 259 eine Vergütung.

3,90 Euro bis 4,57 Euro pro Stunde und Kind gibt es derzeit je nach Qualifikation, wenn das Kind in seinem Elternhaus betreut wird.

4,60 Euro bis 5,26 Euro pro Stunde und Kind bekommt, wer eigene Räume für die Kinderbetreuung angemietet hat.

Die Sachkostenpauschale liegt zwischen 1,33 und 2,13 Euro.

Elisabeth Lahusen ist Diplom-Heilpädagogin und arbeitet 15 Wochenstunden lang in der mobilen Kindertagespflege – sie betreut ein Baby, dessen Eltern im Schichtdienst arbeiten. Dafür bekommt sie von „Pflegekinder in Bremen“ (PIB) bislang bei einem Stundensatz pro Kind von 4,57 Euro – knapp 300 Euro im Monat. Davon gehen noch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab, sagt sie, zudem 1,43 Euro für Sachkosten. „Wenn ich stattdessen sieben Stunden in der Woche als Hilfskraft in der städtischen Kita arbeiten würde, hätte ich am Monatsende 450 Euro“, sagt Lahusen. Zudem wäre das Geld steuerfrei, die Abgaben würde die Stadt zahlen. „Das ist nicht zu verstehen“, sagt Lahusen.

Die Bildungsbehörde rechnet ohnedies anders, um zu erklären, warum der Job in der Tagespflege ein auskömmlicher und auch mit dem Mindestlohngesetz zu vereinbaren ist: Wer bei sich zu Hause fünf fremde Kinder gleichzeitig betreut und 40 Stunden die Woche arbeitet, kommt bei einem Stundenlohn von 13,65 Euro auf steuerpflichtige 2.364 Euro im Monat, zuzüglich 1.500 Euro an steuerfreier Sachkostenpauschale. In der Summe enthalten sind laut Behörde 20 Tage bezahlter Urlaub und die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge.

Ab Oktober sollen die Honorarsätze aber um 6,1 Prozent erhöht werden, was die Gewerkschaft Ver.di als „gute Honorarerhöhung“ lobt – die ErzieherInnen bekamen zuletzt Lohnerhöhungen von 7,32 Prozent. In der Modellrechnung der Bildungsbehörde bedeutet das bei dann 14,50 Euro in der Stunde am Monatsende ein zu versteuerndes Entgelt von 2.511 Euro. Aus Lahusens Sicht ist diese Rechnung „kühn“ – schon weil es in Bremen ja nur einen Rechtsanspruch auf 20 Stunden Betreuung in der Woche gebe.