Kommentar Absturz der türkischen Lira: Das Problem sind Trump und Erdoğan

Egomanen auf Konfrontationskurs: Der Zwist zwischen Washington und Ankara hat das Zeug, die taumelnde Globalisierung weiter zu schwächen.

Trump und Erdoğan im Juli in Brüssel

Nicht gerade konfliktscheue Egomanen: Trump und Erdoğan im Juli in Brüssel Foto: rtr

Beim Streit zwischen den Nato-Ländern USA und Türkei geht es auf den ersten Blick um relativ wenig: Die USA wollen, dass ein evangelikaler US-Pastor aus dem türkischen Hausarrest entlassen wird. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan fordert indes, dass die USA seinen Intimfeind, den dort lebenden türkischen Prediger Fethullah Gülen ausliefern. Angeblich soll Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich sein.

Tatsächlich hat der transatlantische Zwist das Zeug, die bereits taumelnde Globalisierung weiter entscheidend zu schwächen: Die Türkei, einst wegen zweistelliger Wachstumsraten als „anatolischer Tiger“ gefeiert, rauscht gerade in eine schwere Wirtschaftskrise – das schädigt ihre Nachbarn, darunter die EU, sowie andere Schwellenländer.

Die Aktienindizes Südafrikas und Brasiliens gehen bereits in die Knie, weil gerade deutlich wird, welche Nachteile ein Konflikt mit den USA haben kann. Richtig schlimm ist es für die türkische Bevölkerung: Da die Lira seit Jahresbeginn etwa zwei Drittel ihres Werts zu Dollar und Euro verloren hat, sind viele Importgüter plötzlich unerschwinglich.

Noch fataler: Wenn die Lira weiter abwertet, kann der türkische Staat seine Auslandsschulden eventuell nicht mehr bedienen. Dass es so kommt, ist nicht ausgeschlossen: Das Hauptproblem sind die zwei egomanen Staatschefs. Beide sind nicht gerade konfliktscheu, Diplomatie und Weltpolitik sind für beide nicht prioritär. So hat US-Präsident Donald Trump die Türkei zielgenau gedemütigt, als er am Freitag die Verdoppelung der Strafzölle auf türkischen Stahl ankündigte – dabei taumelte die Lira da bereits.

Die Krise ist für Erdoğan gefährlich

Die Eskalation des Krachs mit den USA kommt Erdoğan sogar gelegen. Er stilisiert die Türkei bereits als Ziel eines „Wirtschaftskriegs“, gar als Opfer der „amerikanisch-zionistischen Zinslobby“ – und droht damit, sich verstärkt Russland zuzuwenden. Wie zufällig kommt am Montag Außenminister Sergei Lawrow zu Besuch nach Ankara.

Mit dem ganzen Wir-gegen-die-großen-USA-Tamtam lenkt Erdogan allerdings nur verzweifelt von den Versäumnissen der eigenen Wirtschaftspolitik ab. Sie hat das Einkommen seiner Landsleute zwar seit dem Beginn der Nuller Jahre verdreifacht.

Zuletzt hat Erdoğan die „Märkte“ mit Nepotismus und dem Primat seiner Innenpolitik allerdings misstrauisch gemacht: Mit der Einsetzung seines Schwiegersohns als Finanzminister, dem Abzug von Wirtschaftsexperten aus der Regierung, aber vor allem mit seiner Einflussnahme auf die türkische Zentralbank hat er eigene politische Interessen über ökonomische gestellt.

Deshalb ist die Krise auch gefährlich für Erdoğan: Wenn die Panik im Land zunimmt, bedeutet das eine Erosion seiner Macht.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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