Prag 68:
Der Traum ist aus

Vor 50 Jahren marschierten Soldaten des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei ein und beendeten das Experiment eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz

Kippe und Panzer: TschechoslowakInnen beäugen den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag Foto: Ian Berry/Magnum Photos/Agentur Focus

Die brutale Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 war in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur: Nicht nur für die vielen Tschechen und Slowaken, die den Reformkurs ihrer KP-Spitze unterstützten, bedeutete er die bittere Erkenntnis, dass die Sowjet­union keinem ihrer Satelliten einen eignen Weg zum Sozialismus zubilligen würde. Auch kritische Geister in den „Bruderstaaten“, die große Hoffnungen in den Aufbruch in der Tschechoslowakei gesetzt hatten, waren desillusioniert.

Was folgte, war die Flucht – entweder in den Westen oder in die innere Emigration. Letztendlich wurde die Schockstarre erst 21 Jahre später überwunden, als die Menschen in Prag, Warschau und Leipzig die kommunistischen Regimes zum Einsturz brachten. Damit hatte sich auch in diesem Teil der Welt die Idee vom Sozialismus vorläufig erledigt.

Die westeuropäische Linke, deren Proteste 1968 in Westberlin und Paris ihren Höhepunkt erreichten, konnte mit dem anderen 68 von Anfang an nur wenig anfangen. Sie glaubte nicht nur, blind an der Seite der Sowjetunion stehen zu müssen. Viele der Linken hatten auch gar kein Verständnis für die Reformbemühungen im Osten, die sie als bürgerlich und nicht als revolutionär begriffen. Auch heute wird in diesen Kreisen Freiheitsbewegungen wie dem Euromaidan in der Ukraine weitaus mehr misstraut als der „Realpolitik“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Im offiziellen Prag macht sich heute, 50 Jahre später, Geschichtsvergessenheit breit: Die Kommunistische Partei stützt die Regierung des ehemaligen Geheimdienstspitzels Andrej Babiš, Präsident Miloš Zeman empfängt russische Soldaten. Allerdings nur noch, um zu singen und zu tanzen.

Barbara Oertel, Belinda Grasnick

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