Edelsteine des Anstoßes füllen Zentralafrikas Warlordtaschen

Zwar bleibt die Zentralafrikanische Republik in Milizenterritorien zerfallen, doch Diamantenexport ist seit einigen Jahren wieder teilweise international erlaubt. Jetzt zeigt sich: Das nützt auch den Falschen

Von Dominic Johnson
und François Misser

74.000 Karat Rohdiamanten (umgerechnet 1,48 Kilogramm) wurden von Januar bis Juni 2018 aus der Zentralafrikanischen Repubik legal exportiert. Nur rund 2.000 davon waren registrierte Neuproduktion. Der Rest kam aus Lagerbeständen in der Hauptstadt Bangui, angehäuft in den Zeiten des Bürgerkrieges, als das Land aus dem legalen Diamantenhandel ausgeschlossen war. Diese Daten stehen im neuesten UN-Expertenbericht über die Einhaltung der UN-Sanktionen gegen das Bürgerkriegsland.

Die Diskrepanz offenbart ein Dilemma, das auch die jüngste Jahrestagung des internationalen Diamantenregulierungsmechanismus „Kimberley-Prozess“ in Antwerpen im Juni beschäftigte: Wenn die Diamanten der Zentralafrikanischen Republik hauptsächlich Warlords nützen, der Staat aber auf Einnahmen aus dem Diamantenexport angewiesen ist – wie geht dann Diamantenhandel, an dem sich keine Warlords bereichern?

Die Zentralafrikanische Republik gehört mit historisch rund 300.000 Karat im Jahr nicht zu den großen Diamantenförderern der Welt, aber ihre Steine gelten als besonders hochwertig und begehrt. Der Großteil kommt aus der Region um Berberati im Westen, und vieles davon findet seinen Weg in den Taschen von Lastwagenfahrern ins Nachbarland Kamerun. Kleinere Mengen werden im Osten gewonnen, um die Stadt Bria; von dort gibt es etablierte Schmuggelrouten nach Sudan.

Verlängert und erweitert: Die EU hat am Montag das Mandat ihrer Mission für die Zentralafrikanische Republik (EUTM RCA) bis 19. September 2020 verlängert. 170 EU-Soldaten bilden seit 2016 die Streitkräfte der Zentralafrikanischen Republik (Faca) aus.

Reaktion auf Russland: EUTM RCA berät ab jetzt nicht mehr nur das Verteidigungsministerium, sondern auch das Kabinett des Staatspräsidenten. Damit reagiert die EU auf die Nähe des Präsidenten Faustin Touadéra zu Moskau. Russlands Regierung hat die Faca aufgerüstet und Hunderte Militärberater entsandt.

Die ökonomische Teilung des Landes zwischen West und Ost reproduziert sich in der Politik, seit mit dem Sturz von Präsident François Bozizé im März 2013 der Zentralstaat in der Hauptstadt Bangui zerfiel: Im Osten herrschen diverse mehrheitlich muslimische Milizen, die unter dem Sammelbegriff „Seleka“ von 2013 bis Anfang 2014 die Macht in Bangui ausübten. Der Westen gehört den mehrheitlich christlichen „Anti-Balaka“-Milizen, die mit antimuslimischen Pogromen im Jahr 2014 Seleka zurückdrängten. Viele Anti-Balaka-Führer sind ehemalige Bozizé-Soldaten, und sie dominieren den Wiederaufbau einer nationalen Armee unter dem 2016 gewählten neuen Staatschef Faustin Touadéra, gestützt von einer EU-Militärmission sowie Beratern aus Russland.

Im Jahr 2013 suspendierte der „Kimberley-Prozess“ – die internationale Zulassungsstelle für den Diamantenhandel – die Zentralafrikanische Republik. Legaler Diamantenexport aus Bangui war damit nicht mehr möglich. Die Händler in Bangui kauften aber weiter innerhalb des Landes an. Im Juni 2016, nach dem Amtsantritt des gewählten Präsidenten Touadéra, wurde die Suspendierung aufgehoben – aber nur für Diamanten aus fünf Gebieten um Berberati im Westen, deren Förderung und Handel nachweislich keinen bewaffneten Gruppen zugutekommt. Dies, so die UN-Experten, sei bis Juni 2018 für 66.737 Karat geglückt.

Wie dieser Nachweis zu führen ist, bleibt ein Rätsel. Ende 2017 hatte die UN-Expertengruppe festgestellt, die Wiederzulassung von Diamanten aus Berberati habe funktioniert: bewaffnete Gruppen seien nicht präsent, vertriebene muslimische Diamantenhändler seien nach Berberati zurückgekehrt. Aber, so merkten sie an, in Nachbarregionen handelten Milizen. Fast überall in der Republik sind bis heute bewaffnete Gruppen stärker als der Staat.

Banguis zwei große Diamantenhandelsfirmen Sodiam (Société centrafricaine du diamant) und Badica (Bureau d’achat de diamant en Centrafrique) haben die vergangenen fünf Jahre nur durch Zusammenarbeit mit Seleka und Anti-Balaka überlebt. Deswegen ist Badica, das mit den Seleka-Rebellen besonders eng zusammenarbeitete, immer noch mit internationalen Sanktionen belegt. Sodiam, das einst von Seleka ein Monopol auf die Diamantenförderung des Landes zugesprochen bekommen hatte, musste 2017 seine Außenstellen außerhalb Banguis schließen. Seitdem ist es kaum möglich, Diamanten in der Zentralafrikanischen Republik zum Export zu verkaufen, ohne dubiose Zwischenhändler einzuschalten, die ihrerseits mit dem Wohlwollen von Warlords agieren. Das erklärt, wieso in diesem Jahr kaum noch Neuförderung in den Export fließt – und weil trotzdem Diamanten gefördert werden, wovon viele Schürfer leben, bedeutet das, dass viele Diamanten doch wieder illegale Wege nehmen.

„Hunderttausende Rohdiamanten verlassen das Land illegal“

Delegation US-Außenministerium

„Hunderttausende Rohdiamanten aus dem ganzen Land verlassen das Land illegal“, erklärte die Delegation von Pamela Fierst-Walsh, Beauftragte für Konfliktmineralien im US-Außenministerium, auf dem Kimberley-Jahrestreffen in Antwerpen. Für Seleka-Diamanten aus dem Osten gelte das ohnehin – aber auch aus den „konfliktfreien“ Regionen im Westen der Zentralafrikanischen Republik. Ein ehemaliger Regierungsberater aus Bangui bestätigt der taz: die Steine kommen illegal nach Kamerun, unter Mitwirkung von Offiziellen beider Länder, werden in Drittländern mit Diamanten aus unbedenklichen Ländern vermischt und nach Dubai geflogen. Drehscheibe sei der Flughafen von Douala in Kamerun.

Gibt es einen Ausweg? Wissen dürfte das der neue Diamanten-Sonderberater des zentralafrikanischen Präsidenten: der Belgier Peter Meeus, Expräsident der Diamantenbörse von Dubai und einer der Gründerväter des Kimberley-Prozesses. Wohl auf sein Anraten hin beschloss der Kimberley-Prozess jetzt, Zentralafrikas legalen Export zu vereinfachen: Die Prüffrist für Diamanten wurde von zwei Wochen auf eine verkürzt. Die Warlordökonomie wird damit nicht in ihre Schranken gewiesen. Aberes dürfte mehr Geld bei der Regierung hängen bleiben.