„Es gibt keine Alternative zur Währungsreform“

Kubas Regierung will sich von der 25 Jahre alten Doppelwährung verabschieden. Das wird auch unpopuläre Maßnahmen bedeuten, meint Experte Omar Everleny Pérez Villanueva

Alltag in Kuba: Ein schneller Check – CUC oder CUP? Foto: Peter Sibbald/Redux/laif

Interview Knut Henkel

taz: Herr Pérez Villanueva, Gerade erst hat das kubanische Parlament eine Verfassungsreform abgesegnet. Jetzt mehren sich die Gerüchte über eine Währungsreform. Was ist dran?

Omar Everleny Pérez Villanueva: Nachdem die neue Verfassung beschlossen ist, steht die Währungsreform ganz oben auf der Agenda.

Seit ziemlich genau 25 Jahren hat Fidel Castro den Devisenbesitz auf Kuba legalisiert. De facto gibt es seitdem eine doppelte Währung. Was bedeutet das?

Heute kann niemand mehr mit Gewissheit sagen, ob ein in Kuba hergestelltes Produkt konkurrenzfähig ist, weil niemand weiß, ob das Grundmaterial aus nationaler Produktion stammt oder importiert wurde, ob die Arbeiter in CUC, dem an den US-Dollar gekoppelten Peso convertible, oder CUP, also Peso nacional, bezahlt wurden. Der Wechselkurs ist 1:24. Viele Staatsunternehmen aber operieren mit einem Kurs von 1:1. Das ist alles andere als stimulierend für die Exporte, denn wenn du als Unternehmer für 10.000 US-Dollar exportierst, bekommst du vom Staat nur 10.000 CUP. Dann verkaufst du natürlich lieber auf dem Binnenmarkt – für einen deutlich höheren Kurs.

Es gab bereits verschiedene Experimente mit unterschiedlichen Wechselkursen, um die Währungsreform quasi im Labor zu simulieren. Warum hat sich keiner durchgesetzt?

Derzeit gibt es in Kuba neun Wechselkurse, nach denen gekauft, produziert und verkauft wird. Im Tourismus wird Ware von Bauern zum Kurs von 1:10 angekauft, im Zuckersektor gilt ein Kurs von 1:4 und so fort – das macht die Lage komplex. Ein Beispiel: Eine Genossenschaft wie der Rutero, ein Transportunternehmen in Havanna, nimmt fünf CUP pro Passagier, um ihn von A nach B zu bringen. Dieses Unternehmen muss das Benzin in CUC zahlen, wird aber wiederum vom Staat subventioniert, weil der der Genossenschaft das Benzin zum Kurs von 1:10 verkauft. Das lässt sich für Unternehmen im In- und Ausland schwer kalkulieren.

Was bedeutet es für die Bevölkerung?

Die lebt mit den beiden Wechselkursen und hofft auf den Anstieg ihrer Kaufkraft. Doch es ist ein Teufelskreis. Denn dazu braucht es ein spürbares Wirtschaftswachstum – dem wiederum die doppelte Währung entgegensteht. Weil auch eine Erhöhung der Sozialausgaben über eine produktivere Wirtschaft finanziert werden müsste, gibt es deshalb keine Alternative zur Währungsreform. Diese wird aber mit sehr unpopulären Maßnahmen einhergehen.

Warum?

Foto: Knut Henkel

Omar Everleny Pérez Villanueva, Jahrgang 1960, war bis 2016 Direktor des Studienzentrums der kubanischen Wirtschaft.

Weil sich die Leute positive Effekte für ihre persönliche Situation versprechen. Aber die Preise werden steigen. Derzeit kaufen die staatlichen Unternehmen Waren vor allem im Ausland, und diese Waren werden in Devisen bezahlt und in Kuba auf dem nationalen Markt in aller Regel zu erhöhten Preisen abgegeben. Ändert man den Wechselkurs nun etwa von 1:24 auf 1:8, muss die dreifache Warenmenge aufgewendet werden, um die gestiegene Kaufkraft der Kubaner zu befriedigen. Wie soll das gehen, wenn die Regierung nicht die nötigen Reserven hat?

Was glauben Sie?

Schon lange kommen die Kubaner mit ihren Löhnen nicht über die Runden, wenn die Preise nach der Währungsreform anziehen, drohen Proteste. Das Grundproblem ist, dass die Löhne in keinem Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten stehen, deshalb ist die Arbeitsmotivation in Kuba chronisch niedrig. Mit einer Währungsreform und der Festlegung eines realistischen Wechselkurses ist es also nicht getan – parallel dazu müssen die Löhne steigen, und niemand weiß, wie das finanziert werden soll.

Die Regierung hatte bislang immer darauf hingewiesen, dass deshalb die Binnenwirtschaft produktiver werden müsste, bevor eine Währungsreform angegangen werden kann.

Die Hoffnung ist: Wenn mehr Produkte auf den nationalen Markt gelangen, gewinnt die Währung an Kaufkraft und der Wechselkurs lässt sich peu à peu korrigieren. Diese Hoffnung hat sich bisher aber nicht erfüllt.

Also bräuchte die Regierung andere Mittel, um die Währungsreform in den ersten Monaten abzufedern. Verfügt sie über Rücklagen oder potenzielle Kreditgeber?

Ich bin nicht sonderlich optimistisch, dass die Regierung über Reserven verfügt. Die Wirtschaft der Insel ist in den ersten vier Monaten nur um 1,1 Prozent gewachsen, denn die Zucker­rohr­ernte war schlecht, die Touristenzahlen sind zurückgegangen und die Lieferanten müssen länger auf die Bezahlung ihrer Rechnungen warten. Alles Indizien dafür, dass die Regierung nicht liquide ist. Auf dem privaten Markt ist es hingegen kaum möglich, Kredite zu bekommen. Da müsste sich schon ein staatlicher Geber finden, der Kuba das nötige Geld leiht.

Am 26. 7. 1993 legalisierte Castro den Devisenbesitz auf Kuba. Eine Notmaßnahme, die dazu diente, die Dollar-Transfers von Familienangehörigen, sogenannten Remesas, abzuschöpfen, um ausreichend Kapital für überlebensnotwendige Importe bereitstellen zu können. Weil die ursprüngliche Landeswährung Peso nacional (CUP) rasch an Kaufkraft verlor und Kuba kurz vor dem Bankrott stand, wurde 1994 zusätzlich der Peso convertible (CUC)eingeführt. Dieser ist an den Kurs des US-Dollars gebunden.

Der CUPdient hauptsächlich der Bezahlung von staatlich subventionierten Waren und Dienstleistungen. Die Nachfrage nach Artikeln des täglichen Bedarfs übersteigt aber bei weitem das Angebot. Mit dem CUCbekommt man importierte Waren, zahl­reiche Konsumgüter und Lebensmittel des täglichen Bedarfs und einige staat­liche Dienstleistungen, wie etwa die Ausstellung eines Reisepasses.

Welche Summen müssten aufgewandt werden, um die Währungsreform abzufedern – zwei, drei oder mehr Milliarden US-Dollar?

Dazu gibt es keine zuverlässigen Schätzungen – weder von der Regierung noch von Finanzspezialisten. Die einzigen Länder, die derartige Kredite an Kuba vergeben würden, sind China und Russland. Dass sie in die Bresche springen werden, halte ich derzeit nicht für realistisch.

Der neue Wirtschaftsminister, Alejandro Gil, gilt als enger Vertrauter des Präsidenten. In internen Videos ist er derjenige, der zur Währungsreform Stellung bezieht. Rückt mit seiner Ernennung die Währungsreform näher?

Ich denke schon, aber die Umsetzung ist eine immense Herausforderung und stellt die ganze Regierung vor gigantische Probleme.