Täter-Opfer-Umkehr in Bonn

Yitzhak Melamed wurde antisemitisch beleidigt und angegriffen und erhebt Vorwürfe gegen die Polizei

Von Laila Oudray

Der Hofgarten in Bonn ist ein zentraler Treffpunkt für alle, die sich entspannen wollen. In der vergangenen Woche wurde er Schauplatz eines antisemitischen Angriffs, von Polizeigewalt und Einschüchterungsversuchen durch die Polizei. Der Philosophie-Professor Yitzhak Melamed von der John Hopkins University in Baltimore wurde dort am vergangenen Mittwoch von einem Deutschen mit palästinensischen Wurzeln angegriffen. Immer wieder hatte der Angreifer ihm die Kippa vom Kopf geschlagen, ihn geschubst und antisemitisch beleidigt. Bei Eintreffen der Polizei ergriff der Angreifer die Flucht. Melamed seinerseits nahm die Verfolgung des Täters auf, was, so der Philosoph später, ein Fehler gewesen sei: So nämlich hielten die Beamt*innen ihn für den Angreifer, griffen ihn von hinten an, fixierten ihn und schlugen ihm Dutzende Male ins Gesicht. Ein Zeuge beschrieb den Zugriff als „äußerst brutal“.

In einer Pressemitteilung gestand die Polizei nun den Fehler ein und bat um Entschuldigung. Udo Schott, Polizeigewerkschafter in Bonn, sagte gegenüber dem General-Anzeiger, dass die beteiligten Polizist*innen erst vor Kurzem die Ausbildung beendet hätten. Auch die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatten sich bei dem Professor persönlich entschuldigt.

Doch in der Pressemitteilung gab die Polizei Melamed eine Mitschuld an dem Vorfall. So werfen sie ihm vor, auf Anweisungen nicht gehört und Widerstand geleistet zu haben. Erst als Melamed der Aufforderung nicht nachkam, sei er fixiert und geschlagen worden.

Yitzhak Melamed bestreitet vehement, sich in irgendeiner Weise gewehrt zu haben, und ist schockiert über die Darstellung: „Was mich wirklich ärgert, ist, dass es später eine Mitteilung gab, in der steht, ich hätte mich widersetzt. Nur um sich zu rechtfertigen. Das ist so enttäuschend“, sagte er der Berliner Morgenpost. Nach der Pressemitteilung entschloss sich Melamed, an die Öffentlichkeit zu gehen – mit einem Facebook-Post, in dem er sein geschundenes Gesicht zeigt, seine Sicht der Ereignisse darlegt und weitere Vorwürfe gegen die Bonner Polizei erhebt.

So sei er auf der Wache gedrängt worden, keine Anzeige zu erstatten. Man habe mit einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt gedroht. Ein Beamter behauptete, der Professor habe ihn an der Hand berührt, was dieser allerdings bestreitet. Jetzt ermittelt aus Neutralitätsgründen die Kölner Polizei wegen Körperverletzung gegen die Kollegen.

Der 20-jährige Angreifer wurde festgenommen und ist seit Donnerstag wieder auf freiem Fuß. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung und Körperverletzung ermittelt. Yit­zhak Melamed ist mittlerweile wieder in Baltimore, die Wunden in seinem Gesicht sind noch nicht verheilt. Er ist immer noch verstört über das Verhalten der Polizei: „Sie können es mit der Polizei von Baltimore aufnehmen, die für ihren Rassismus bekannt ist. Schicken Sie ein paar von den Deutschen her, die können der Polizei hier sogar noch etwas beibringen.“