hörbuch
: Verächter der Demokratie

Das ist Demokratie, langweilig wird sie nie“, frohlockte Andreas Dorau 1988. Der Hamburger Sänger machte sich in diesem Hit zwar über demokratische Streitkultur lustig, stellte die Staatsform jedoch nicht infrage: „Ob es einem schmeckt oder nicht!“ Das war nicht immer so, und die Tatsache, dass Demokratiefeindlichkeit offenbar wieder gesellschaftsfähig wird, macht das Feature „Ungeliebte Demokratie“ über die Geschichtsstunde hinaus interessant.

Autor Hans Sarkowicz ist Historiker und Programmleiter des Ressorts Literatur und Hörspiel beim hr2. Für mehrere mediengeschichtliche Hörbücher hat er bereits die Rundfunkarchive durchforstet, zuletzt für „Geheime Sender“, das die antifaschistische Propaganda alliierter Radiosender der Propagandamaschine der Nazis gegenüberstellte.

Die sachliche Erzählung der historischen Chronologie, die auf „Ungeliebte Demokratie“ mit der Ausrufung der Räterepublik 1918 ihren Anfang nimmt, belebt Sarkowicz mit (leider akustisch oft schwer verständlichen) Originaltondokumenten von politischen Akteuren des rechten und linken Spektrums, die ihre antidemokratische Agitation erstaunlich offenherzig über Radio und Schallplatte verbreiten konnten. Er erinnert daran, dass es nicht nur rechtsnationale Demokratiefeinde gab, sondern beleuchtet auch den Kampf der extremen Linken für eine sozialistische Staatsform.

Die politische Gemengelage – ungefestigte demokratische Strukturen, Ablehnung der Versailler Verträge, Arbeitslosigkeit, hektisches Personalkarussell in den Parteien, insbesondere bei der SPD – kommentiert der Historiker Ulrich Herbert nachvollziehbar. Einblick in den kulturellen Zeitgeist geben Äußerungen und Textzitate in Originalton von Zeitgenossen wie Thomas Mann, Alfred Döblin, Ernst Toller und Albert Einstein. Der Experte für die literarische Moderne, Helmuth Kiesel, ordnet die damaligen literarischen Debatten den politischen Begebenheiten zu.

Sarkowicz arrangiert die massigen Informationen mit ruhiger Hand. Sein Sprecherensemble – unter anderen Birgitta Assheuer, Torben Kessler, Gergana Muskalla – agiert zielorientiert, die Experten Kiesel und Herbert kommentieren in freier Rede. Mehrfach wird auf die Errungenschaften der Weimarer Republik verwiesen: die Einführung des Achtstundentags, die Freiheit der Person, die Unverletzlichkeit der Privatwohnung, das Briefgeheimnis, die Meinungs-, Presse und Versammlungsfreiheit. Dass Frauen „grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ wie Männer erhielten. Und dass die Bürger sich dessen erst bewusst wurden, als sie 1933 von den Nazis wieder abgeschafft wurden.

Hans ­Sarkowicz: „Die un­geliebte Demokratie. Die Weimarer Republik zwischen rechts und links“. Der Hörverlag, 2018. 2 CDs, 2h 44min, 18 Euro

Nachdenklich stimmt Herberts Einschätzung, dass der Wahlsieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1932 kein Selbstläufer war. Der sich anbahnende Wirtschaftsaufschwung hatte den Zulauf zu den Nazis reduziert, Goebbels sah die Partei in einer „verzweifelten Si­tua­tion“. Auch weil die SPD darauf verzichtete, einen Gegenkandidaten aufzustellen, konnte sie aus der Situation kein Kapital schlagen.

Das Feature gibt nicht nur klaren Einblick in ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte, es ist auch die Aufforderung herauszuhören, für die Errungenschaften der Demokratie einzutreten, bevor sie mit Füßen getreten werden. Sylvia Prahl