Nach Großdemo: CSU fühlt sich verhetzt

Vertreter der Christsozialen bezeichnen die Demo gegen ihre Partei als „unanständige Hetzkampagne“. Der Gegenwind kurz vor der bayerischen Landtagswahl macht sie nervös

Demons­tranten am Sonntag in München Foto: Daniel Biskup

Von Patrick Guyton

„Danke an Euch alle! Wir sind beeindruckt!“, schreibt die Münchner Flüchtlingshilfe-Organisation „Bellevue di Monaco“ an die bis zu 50.000 Teilnehmer der Riesendemo unter dem Motto „#ausgehetzt – Gemeinsam gegen die Politik der Angst“ am Sonntag auf dem Königsplatz. Diese hatte sich vor allem gegen die CSU und deren von vielen Bürgern als aggressiv und hetzerisch empfundene Flüchtlingspolitik gewendet.

Bayerns Regierungspartei hat der Protest dieser großen Menge von Demonstranten, die für ein offenes, liberales Land eintreten und sich zugleich dezidiert gegen die CSU-Politiker Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt wenden, kalt erwischt. Noch am Abend hatte Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung und vormaliger Bildungsminister, auf Facebook seine Wut kundgetan: Die Demonstranten bezeichnete er als „verirrte Blumenkinder“, die sich „moralisch überlegen wähnen“. Das sorgte anschließend wiederum für viel Spott: SPD-Bildungspolitikerin Isabell Zacharias bemerkte: „Ich bin gerne so ein Blumenkind.“

Von den drei attackierten CSU-Hauptpersonen Seehofer, Söder und Dobrindt äußerte sich keiner zur Sache. Dafür nannte der als tendenziell liberal geltende CSU-Europapolitiker Manfred Weber die Vorwürfe der Demonstranten „maßlos“ und „in der Sache falsch“. Generalsekretär Markus Blume, der eigentlich besonnen auftritt, verteidigte seine Partei: In der Main-Post bezeichnete er die Demonstration als „unanständige Hetzkampagne“.

Und weiter: „Das werden wir nicht auf uns sitzen lassen. Wir verwahren uns gegen politische Hetze und rufen alle zu politischem Anstand auf.“ Intern geht die CSU davon aus, dass die Wähler bis zum 14. Oktober wieder zur Partei zurückkehren.

Gut möglich ist, dass die Partei knapp drei Monate vor der für sie überragend bedeutenden bayerischen Landtagswahl auch durch die Demonstration und die Kritik vieler Bürger aus der gesellschaftlichen Mitte nun in einen Richtungsstreit gerät. Dass ausgerechnet der Spitzenkandidat, Ministerpräsident Markus Söder, die Partei einigen und mäßigen kann, gilt als zweifelhaft. Denn Söder hat sich bisher als der oberste Polarisierer profiliert, mit dem viele in der Partei auch noch per­sönliche Rechnungen offen haben. Bei der jüngsten Umfrage für den Bayerischen Rundfunk stand die Partei auf einem historischen Tief von 38 Prozent.

„Wir verwahren uns gegen politische Hetze“

Markus Blume, CSU

Verstärkt Gedanken über die CSU macht sich Peter Hausmann. Er war Sprecher der Partei, Regierungssprecher unter Helmut Kohl sowie sechs Jahre lang Chefredakteur der CSU-Zeitung Bayernkurier.

Beim Flüchtlingsthema hält er die Wortwahl der CSU-Politiker für „völlig deplatziert“, sagt er gegenüber der taz. Sie sollten sich „im Ton mäßigen“. Hausmann hält es für interessant, dass das Flüchtlingsthema „stärker polarisiert, als man denkt“. Die Demonstration habe gezeigt, „dass es die Menschen bis tief in das bürgerliche Lager hinein sehr bewegt“.

taz zwei