Kreuzberger Kitakinder werden Bauherren

Der integrative Kuschel-Schnarch-Glitzer-Traumbaum: Wie eine Kooperation zwischen der Kita in der Dessauer Straße und einem Architekturprojekt der TU ein einmaliges Bauwerk hervorbringt. Weitere Kitabauten sind geplant

Ein Traumbaum sprießt im Foyer der Kita in der Dessauer Straße in Kreuzberg. Seine Blätter funkeln im Licht, werfen Reflexe auf die hellblauen Wände und erhellen die Flure, in die gelb, orange und rosa beleuchteten Blüten kann man sich hineinkuscheln. Kichern kann der Traumbaum auch, obwohl er eine Konstruktion aus Gipskarton und hochreflektierendem Edelstahl ist. Gebaut haben ihn die „Baupiloten“ – Architekturstudenten der Technischen Universität Berlin, die im Rahmen eines Studienreformprojekts nicht nur entwerfen, sondern ihre Vorhaben auch selber realisieren sollen. Am Samstag wird die neu gestaltete Kita eingeweiht und in „Traumbaumkita“ umbenannt.

Als die „ArbeiterSamariterBund Kinder- und Jugendhilfe gGmbH“ vor über einem Jahr den Kindergarten übernahm, sahen die Flure aufgrund der strengen Brandschutzbestimmungen kahl und trostlos aus, Licht fehlte. Selbst das Image benötigte Aufhellung, erinnert sich Geschäftsführer Bernhard Lewandowski. Die Kita betreut 110 Kinder, fast alle nichtdeutscher Herkunft mit erheblichen Sprachschwierigkeiten.

Per Zufall fand man mit den Baupiloten zusammen. Die Studenten baten die Erzieherinnen, mit den Kindern Bilder ihres „Traumbaums“ zu malen. Nach anfänglicher Skepsis waren die Erzieherinnen selbst überrascht, erzählt der Student Daniel Hülseweg. In nur einer Woche waren zahllose Bilder und ganze Geschichten entstanden. Menschenähnliche Bäume, Glitzerndes und Funkelndes – sogar Geräusche wurden gemalt.

Die angehenden Architekten griffen diese Ideen auf und entwickelten sie zusammen mit Kindern und Betreuern weiter. Schließlich hörte auch Lewandowskis Skepsis auf, der angesichts der ausgiebigen „Findungsprozesse“ schon bezweifelte, dass das Vorhaben jemals starten werde. Nicht nur er, auch die Kitaleiterin Susanna Söhring ist heute fasziniert vom Ergebnis, aber auch von der Mitarbeit der Kinder und dem gesamten Entwicklungsprozess, der von der Architektin Susanne Hofmann koordiniert und betreut wurde.

Der „Traumbaum“, als Mittelpunkt des Gebäudes, hilft den Kindern aus insgesamt 14 Herkunftsländern zusammenzufinden, in Gruppen zu spielen, zu kommunizieren. Er regt ihre Fantasie an und sensibilisiert die Sinne. Mit diesem Angebot reagiert die Kita auf pädagogische Ansprüche frühkindlicher Förderung. Dabei arbeiten die Baupiloten, die für ihr erstes Projekt, den viel gelobten Umbau der Erika-Mann-Grundschule, bereits preisgekrönt wurden, mit sparsamen Mitteln. Und mit den ohnehin preiswertesten „Baustoffen“ Licht, Luft, Klang, Wärme. So verändert die Konstruktion des Blätterdaches das Licht im Foyer je nach Jahreszeit, Farben changieren, Kinder können über eine eingebaute Röhre miteinander kommunizieren und Geräusche erzeugen. Die verwinkelten Formen des Stammes vermitteln Geborgenheit. Doch neben der architektonischen Sprache prägt vor allem der partizipative Ansatz die Arbeiten der Baupiloten: Es geht um die Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer und darum, Architektur mit sozialem Anspruch zu verbinden. Der Arbeiter-Samariter-Bund ist von dem Ergebnis so begeistert, dass nun der Umbau einer weiteren Kita durch die Baupiloten geplant ist. Doch erst mal wird am Samstag gefeiert. Am Eingang steht schon „Traumbaum“ – in den vierzehn Herkunftssprachen der Kinder.ULRIKE STEGLICH

Sa. ab 13 Uhr in der Dessauer Str. 27