Protest gegen Linksextremismus-Debatte: Demonstrieren, nicht diskutieren

Vor der Stasi-Gedenkstätte demonstrieren Antifas gegen eine Debatte über Linksextremismus. Die Einladung, spontan teilzunehmen, schlagen sie aus.

Sie nehmen Aufstellung: Polizei und Demonstranten beim G 20-Gipfel in Hamburg Foto: dpa

BERLIN taz | Am Donnerstagabend wurde in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen über „Linksextremismus – eine unterschätzte Gefahr“ diskutiert. Anlass war der erste Jahrestag der Krawalle beim G 20-Gipfel in Hamburg. Linke – Linksextreme gar – waren nicht geladen. Zumindest anfangs nicht. Dafür fünf Männer mit tendenziell konservativer Gesinnung.

Die Zusammensetzung der Runde hatte schon im Vorfeld irritiert. Die Berliner Northeast Antifa mobilisierte deshalb zu einer Gegenkundgebung direkt vor der Gedenkstätte, 30 Menschen kamen. „Die Elite trifft sich, um über linke Opposition zu reden, und nicht mit ihr. Mit welchem Recht, fragen wir?“, sagte ein Aktivist vor Ort.

Statt die Frage zu beantworten lud Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte, den Anmelder des Protest ein, an der Diskussionsrunde teilzunehmen. Jener lehnte jedoch ab: Die Einladung sei zu spät gekommen, um sich darauf vorzubereiten, so die Argumentation der Aktivist*innen. Das präsentierte Knabe in seiner Begrüßungsrede genüsslich seinem wie erwartet ebenfalls eher konservativen Publikum.

Die Besucher bekamen als erstes einen 360-Grad-Film zu sehen, aufgenommen während der Proteste gegen den Gipfel. In der Eingangsszene findet man sich ins anarchistische Unheil gestürzt. Inmitten von Straßentumulten und brennenden Barrikaden hört man im Hintergrund Gejohle und Explosionen. Vereinzelt werden diese Szenen von Eindrücken friedlicher Protest, Polizeiarbeit und Interviews abgelöst. Der Film soll in Seminaren für Jugendliche ab 16 Jahren eingesetzt werden.

Die Herrenrunde war sich schnell einig

In der anschließenden Diskussion traf der CSU-Staatssekretär im Bundesheimatministerium Stefan Mayer auf den Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt, den Bundesjugendvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Niels Sahling, den Berliner SPD-Abgeordneten Tom Schreiber und Cord Wölke, Geschäftsführer einer Drogeriekette, deren Filiale während der Proteste geplündert wurde.

Schnell wiederholten sich die Fragen des Moderatoren – und die Antworten auch.

Die Herrenrunde war sich schnell einig: Gegen Gewalt und die Ablehnung unsere freiheitlichen demokratischen Ordnung muss etwas getan werden. Es schien zu abwegig, nach den gesellschaftlichen Bedingungen von Gewalt zu fragen. Sobald das inhaltliche Furnier dünn wurde, verlegte man sich auf die Schilderung von Emotionen. Niels Saling, der während G20 im Einsatz war, habe sich schlecht gefühlt, als er sich davor von seiner Familie verabschiedete. Cord Wölke war erschüttert von der blinden Zerstörungswut. Und Tom Schreiber möchte nicht in einer Angstgesellschaft leben.

Schnell wiederholten sich die Fragen des Moderatoren – und die Antworten auch. Ja, Linksextremismus sei über Jahre unterschätzt worden. Ja, es gebe eine Schieflage in der Finanzierung von Präventivprojekten gegen Linksextremismus im Vergleich zu denen gegen Rechtsextremismus. Die Lösung: Mehr harte Repression und eine bildungspolitische Front gegen Linksextremismus.

Einzig Cord Wölke, der sich als liberaler Linker versteht, und Niels Sahling gaben hin und wieder differenzierte Ansätze in die Diskussion. Nicht alle Ausschreitungen und Plünderei wären links motiviert gewesen: „Da haben auch viele Angereiste und Menschen aus anderen Milieus mitgemacht“.

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