berliner szenen
: Ganz in Schwarz wie immer

Weil doch WM ist, gucken wir weiter. Früher waren wir meist zu siebt gewesen beim Tischtennis am Samstagnachmittag in der Druckerei. Nun sind wir zu dritt. E., der längst schon in Westdeutschland wohnt mit seiner Freundin, ist zu Besuch, wir gucken bei M., weil M. wegen krank nicht raus­gehen kann. Die Ärztin kämpft noch um seinen Fuß, jeden Tag. E. ist schon da; ganz in Schwarz wie immer. Es steht schon 1:0 für Frankreich. Ich sitze auf einem Stuhl, einen Meter vor dem kaum DIN A4 großen Monitor; die beiden Freunde sitzen weiter hinten auf einem Sofa. Ich finde, es ist eine Schande, die WM auf so einem kleinen Monitor zu gucken, den anderen ist es egal.

Beim Gucken streite ich mich mit E. über das Ausscheiden der Unsrigen und andere Fragen des Fußballs. Als ehemaliger Linksradikaler ist er immer so negativ, durchgehend. Der Kapitalismus ist schuld und Deutschland sowieso scheiße. Und ich kann mich dann immer aufregen und ver­suche das richtigzustellen. M. sagt, hört auf zu quatschen. Das muss er gerade sagen! Man merkt uns an, dass wir nur selten mit anderen Leuten sprechen. Aber er stellt ja auch immer gleich Behauptungen in den Raum. Und ich lass mich dann ja auch immer sofort provozieren. Wir hören auf und rauchen einen selbstgemachten Grasjoint – früher war mehr Haschisch – und machen dann doch gleich wieder weiter. Dann ist Halbzeit. Wir gehen in die Küche, E. macht sich einen Brennesseltee, ich mach mir einen Darjeelingtee. Die Teebeutelauswahl ist groß in M.s Küche. M. sagt, er hätte „Kaffeestücke“ da, und drängt, dass wir die essen. E. sagt, er hätte was mit dem Magen; das Bier vorhin hätte er gar nicht austrinken können. M. hatte dann versucht, E.s Bier auszutrinken. Zum Glück war es das Atlantik-Ale von Störtebeker; das schmeckt nicht jedem. Detlef Kuhlbrodt