Hängepartie um neue U-Bahnen

Verkehrsbetriebe ringen um Einigung mit Großkonzern Siemens, der gegen Auftragsvergabe klagt

Von Stefan Alberti

Es klang einfach zu schön. Die BVG dürfe endlich die dringend nötigen U-Bahnen kaufen, wollte der Tagesspiegel herausgefunden haben. Warum? Weil Großkonzern Siemens – der sich benachteiligt sah, weil die BVG beim Konkurrenten Stadler kaufen möchte – angeblich nicht länger dagegen klagen will. Abgewendet wären dann (noch) vollere Züge, die seltener fahren. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), zugleich BVG-Aufsichtsratschefin, war so begeistert, dass sie eine gleichfalls begeisterte Pressemitteilung veröffentliche – nur um sie keine zwei Stunden später wieder zurückzuziehen. Denn die Einigung ist zur Hängepartie geworden. Und die soll nächste Woche weiter gehen.

Als so viele sich schon freuten, war die vermeintlich frohe Kunde noch gar nicht in Sack und Tüten. Am Donnerstagvormittag tagten die Abgesandten von BVG und Siemens, und heraus kam keine Einigung, sondern eben die Vertagung. Die Verhandlungen seien nicht beendet worden, das Gespräch werde „voraussichtlich Anfang nächster Woche fortgesetzt“, hieß es am frühen Nachmittag von der BVG-Pressestelle.

Damit ist sie wieder akut, die Angst vor einem Chaos im U-Bahnverkehr. Die BVG muss dringend Wagen ersetzen, die einfach nicht mehr zu reparieren sind. Geld ist, anders als in den Sparen-bis-es-quietscht-Jahren zu Beginn des Jahrtausends, dabei nicht das Problem: Die BVG will ja investieren, um 80 zusätzliche neue Wagen zu bekommen. Und damit das schneller geht, vergab sie diesen Auftrag direkt an die Firma Stadler und verzichtete auf eine europaweite Ausschreibung.

Die Vergabekammer sah kein Problem

Doch eine solche Ausschreibung sieht das europäische Recht eigentlich vor. Die BVG aber argumentierte mit einem Notfall und sinngemäß damit, dass es gar nicht um einen neuen Auftrag geht, sondern um die Ausweitung eines bisherigen. Stadler baute nämlich, nachdem es eine reguläre Ausschreibung gewonnen hatte, schon längst neue U-Bahnwagen für die BVG. Das hielt auch die Vergabekammer des Landes für nachvollziehbar und sperrte sich nicht dagegen. Diese Kammer ist die Einrichtung, an die sich Unternehmen wenden können, wenn sie sich bei Aufträgen benachteiligt fühlen.

Großkonzern Siemens aber, der auf der ­Dauerbaustelle BER seit Jahren Millionen Euro verdient, die zu mehr als einem Drittel vom Land Berlin als Teilhaber der Flughafengesellschaft kommen, akzeptierte die Entscheidung der Vergabekammer nicht und ging vor Gericht. Das entscheidet aber nicht morgen und auch nicht übermorgen: Der nächste Verhandlungstermin soll erst am 16. Oktober sein. Mindestens bis dahin, also noch dreieinhalb Monate, kann die BVG nach derzeitigem Stand die zusätzlichen U-Bahn-Wagen nicht bauen lassen.

Immerhin dementiert sie Gerüchte, selbst bei deutlich weniger U-Bahn-Wagen die eine oder anderen Linie einstellen zu müssen: „Niemand plant das Schließen einer Linie“, sagte Unternehmenssprecherin Petra Reetz der taz. Bei weniger einsetzbarer Wagen würden schlicht weniger fahren, der sogenannte Takt, die Wartezeit bis zur nächsten U-Bahn, würde sich verlängern.