heute in bremen
: „Scharfschützen in den Domtürmen“

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Rudolf Hickel, 76, war Professor für politische Ökonomie und Finanzwissenschaft an der Uni Bremen. 1978 war er mit beim EG-Gipfel.

Interview Florian Maier

taz: Herr Hickel, was passierte vor 40 Jahren auf dem EG-Gipfel in Bremen?

Rudolf Hickel: Am 5./6. Juli 1978 traf sich die Europäische Gemeinschaft im Bremer Rathaus. Das Treffen wurde von Deutschland und Frankreich vorangetrieben. Hier wurden richtungsweisende Grundlagen für den heutigen Euro geschaffen. Wechselkurse mit beschränkten Schwankungsmargen wurden fixiert und die Unterstützung durch Notenbanken vorgesehen.

Und das bedeutet?

Das kann man sich so vorstellen: Wenn ein Bremer Weinhändler französischen Wein bestellte, konnte er vor der Lieferung nicht sicher sein, wie viel Francs er dafür bezahlen muss. Der Wechselkurs schwankte ziemlich stark. Die Schwankungsbegrenzungen für feste Wechselkurse sicherten eine bessere Kalkulierbarkeit der Geschäfte über die Grenzen der Mitgliedsländer hinweg.

Wie muss man sich das Treffen vorstellen?

Zu dem Treffen kamen neun Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft. Alle bis auf Großbritannien nahmen auch an der Einführung des Wechselkursmechanismus teil. Der Gipfel wurde ein Erfolg der deutsch-französischen Achse mit Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing. Viel schwer bewaffnetes Sicherheitspersonal sicherte den Marktplatz und das Rathaus. Selbst in den Domtürmen waren Scharfschützen im Einsatz. Zudem waren sehr viele Journalisten aus aller Welt in der Bürgerschaft.

Welche Aufgabe hatten Sie auf dem Gipfel 1978?

Ausstellung „40 Jahre Europäischer Rat in Bremen“: bis 31. August im EuropaPunkt-Bremen, Am Markt 20, Haus der Bürgerschaft

Mein Job war es, den Journalisten, die in der Bürgerschaft Artikel über den Gipfel schrieben, die neuen Begriffe, wie etwa Realignments, also die Änderung der fixen Wechselkurse, zu erklären. Der stressige Dauereinsatz hat aber Spaß gebracht.

Welche Auswirkungen hat denn der sogenannte „Bremer Plan“ auf unser Währungssystem heute?

Mit dem neu festgelegten Wechselkursmechanismus konnte sich das europäische Währungssystem endgültig aus der Abhängigkeit vom US-Dollar emanzipieren. Letzten Endes wurde 1978 in Bremen der Grundstein für die Euro-Währung in der EU mit der Europäischen Zentralbank ab 1999 gelegt. Die Umrechnung von einem Euro mit 1,95583 DM wurde aus der in Bremen entwickelten Formel für die damals synthetische Währungseinheit ECU abgeleitet.