Wir haben immer schon alles richtig gemacht

Auch nach dem glücklichen 2:1-Sieg über Schweden gibt sich das DFB-Team selbstbewusst bis zur Arroganz: Die Medien lobten sie zu wenig und hätten Spaß am Niedermachen. Und DFB-Funktionäre erlaubten sich sogar, den in letzter Minute geschlagenen Gegner zu provozieren

Die Deutschlandfahne geschwungen, eine Schwedenfahne geklaut – und die Treppe hinunter­stürmen: So sehen Sieger aus Foto: Sebastian Wells

Aus Sotschi Johannes Kopp

Spannender und emotionaler geht es kaum. Großes Kino allererster Güte war dieses Spiel insbesondere durch seine rasante Schlussphase. Über den Rücktritt von Bundestrainer Joachim Löw noch in Russland war im Falle des Scheiterns in der Vorrunde bereits kräftig spekuliert worden. Und ein Remis gegen Schweden wäre mehr oder minder gleichbedeutend mit Rücktritt gewesen.

Alle mussten sich erst einmal sammeln. Und der deutsche Coach sollte erklären, ob er jemals ein Spiel mit solcher Dramatik erlebt habe. Seine Antwort hätte nicht nüchterner ausfallen können. „Das gibt es im Fußball immer wieder mal. Gerade Spiele in der K.-o.-Phase stehen immer auf Messers Schneide.“ Diverse Male habe er das schon erlebt.

Jegliche Aufgeregtheit im Keim zu ersticken, das scheint zu Löws Lebensaufgabe geworden zu sein. Beim Halbzeitstand von 0:1 habe er seiner Mannschaft gesagt, sie müsse Ruhe bewahren, dürfe nicht in Panik verfallen und mit langen hohen Bällen agieren. Dass dies geklappt hat, hob Löw hervor, habe ihm am besten an diesem Abend gefallen.

Die Mantra des Sich-nicht-beirren-Lassens hat die DFB-Elf in den letzten Jahren weit gebracht. In den letzten Wochen und Monaten verstärkt sich jedoch der Eindruck, einige im DFB-Tross interpretieren diese Vorgabe allzu selbstgefällig und selbstgerecht. Und das macht die Mannschaft und ihre Betreuer auf und neben dem Rasen angreifbar.

Ein Paradebeispiel dafür war gestern das Auftreten des Teammanagers Oliver Bierhoff. „Ich hatte noch eine Diskussion mit den Schweden“, bekannte er. „Solch ein Spiel darf nicht belohnt werden, von der ersten Minute an auf Zeit spielen, so destruktiv zu sein.“ Gefruchtet hat es vermutlich nicht. Die Schweden werden sich wohl kaum von den deutschen Kulturschützern des schönen Spiels sagen lassen, wie sie sich auf dem Feld zu benehmen haben.

Hochnotpeinlich war obendrein der ebenfalls selbstgefällige und hämische Jubel von zwei deutschen Betreuern, die nach dem Schlusspfiff die Fäuste ballend vor der schwedischen Bank feixten. Trainer Janne Andersson war ob dieser Provokation sehr erbost und rang noch auf der Pressekonferenz um Fassung. Bierhoff versuchte diesen Fauxpas anfangs noch mit den Emotionen zu erklären, spät am Abend kam dann immerhin doch noch eine offizielle Entschuldigung des DFB.

Die stete Verinnerlichung des Sich-nicht-beirren-Lassens wirkt immunisierend. Kritik von außen dringt nicht mehr durch. Und auch intern doktern sie im Trainerteam schon seit Wochen an denselben Problemen. Die Konteranfälligkeit und die Unausgewogenheit des deutschen Spiel bekam man auch am Samstagabend im Olympiastadion von Sotschi nicht in den Griff. Schon viel früher hätte man in der ersten Halbzeit in Rückstand geraten könnten, als Boateng den Schweden Berg elfmeterwürdig foulte, der Schiedsrichter jedoch nicht pfiff.

Den glücklichen Sieg in letzter Minute durch das zauberhafte Tor von Toni Kroos hatte sich das Team mit seinem couragierten Auftritt auch in Unterzahl durchaus verdient. Direkt nach dem Spiel jedoch – das war schon erstaunlich – wurde die eigene Wagenburg enger gestellt. Kroos klagte, die Kritik der Journalisten nach dem verpatzten Start gegen Mexiko sei keine Hilfe gewesen.

Da schien einmal wieder eine klassische Erwartungshaltung der DFB-Vertreter an die Berichterstatter durch. Und der Mittelfeldspieler von Real Madrid sagte, seinem Eindruck nach hätten die Medienschaffenden einen größeren Spaß daran zu kritisieren, als zu loben. Viele von diesen hätten sich ein Ausscheiden der Deutschen gewünscht. Marco Reus bestätigte, er sehe das auch so.

Die Alleingelassenen werden weiter ihr Ding machen bei dieser WM. Fürs Weiterkommen kann die Trotzhaltung hilfreich sein, dem ganz großen Erfolg stehen die Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit dann aber vermutlich doch zu sehr im Weg.