Kommentar Rückkehr-Recht in Vollzeit: Weg vom unmenschlichen Männerbild

Teilzeitarbeit ist bisher eine Mütter-Domäne – und -Falle. Die Brückenteilzeit hilft nicht nur Frauen, sie ist auch eine männerpolitische Revolution.

Mann mit Bauarbeiterhelm vor Baukränen

Überfordert durch das eigene Ideal: Männer im Job Foto: dpa

Er wolle „Frauen nicht mehr in der Teilzeitfalle hängen lassen“, sagt SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil zu dem im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur „Brückenteilzeit“, die vorübergehend Teilzeitbeschäftigten ein Recht auf Rückkehr an ihren Vollzeitarbeitsplatz sichern soll. Heil ist nett zu Frauen. Schön. Was er nicht sagt, ist, dass dies auch eine kleine männerpolitische Revolution ist.

Teilzeitarbeit war bisher eine Domäne der Mütter – und in der Tat eine Falle. Mommy track nennt die amerikanische Soziologie das Phänomen: Mit der Entscheidung für einen Teilzeitjob hat eine Frau eine Weiche gestellt, sie fährt auf einem Gleis, das sie später kaum mehr verlassen kann. Denn Teilzeitarbeit gilt in vielen Firmen nicht als „richtige“ Arbeit. Personen in Teilzeit sind nicht jederzeit greifbar. Sie gehen mitten am Arbeitstag einfach nach Hause, obwohl doch noch so viel zu besprechen und zu tun ist. Viele Arbeitgeber*innen nehmen Teilzeitarbeitende – meist Frauen – deshalb nicht „für voll“ und fördern sie weniger.

Ein Mann, der in Teilzeit geht, droht nun quasi zu „verweiblichen“: Die Che­f*in­nen müssen es nicht mal aussprechen: Die Angestellten haben ganz von allein die Befürchtung, dass sie ihre weitere Karriere nach einer solchen Entscheidung für den mommy track vergessen können. Der Mann, der immer kann, der geht nicht einfach mittags nach Hause – diese Männlichkeitsbild steht dahinter.

Die Brückenteilzeit erhöht die Chance, dass Frauen wie Männer nicht mehr aufs Abstellgleis geraten, wenn sie ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren. Damit kommen wir ein kleines Stückchen weg von einer Arbeitswelt, die von einem unmenschlichen Männerbild ausgeht: Männer können immer – das macht Frauen, die auch mal nicht können, automatisch zu Problemfällen. Und Männer werden permanent überfordert – durch ihr eigenes Ideal. Hubertus Heil sagt nun: Ein Mann muss nicht immer können. Wunderbar. Er sagt es nur nicht laut. Das könnte ja unmännlich wirken.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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