Kommentar Vorgetäuschter Mord in Kiew: Operation Auferstehung

Das war wohl nichts: Die angebliche Ermordung des Oppositionellen Babtschenko wird zur Peinlichkeit für die ukrainischen Behörden.

Foto des angeblich ermordeten Oppositionellen Arkadi Babtschenko

Wie von den Toten auferstanden: Arkadi Babtschenko bei der der Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes SBU Foto: dpa

Arkadij Babtschenko lebt! Das war die frohe Botschaft, als der totgeglaubte russische Oppositionelle am Mittwoch Nachmittag persönlich auf einer Pressekonferenz des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) erschien. Am Vortag war er durch drei Schüsse in seiner Kiewer Wohnung niedergestreckt worden – angeblich. Der Täter sei flüchtig, Auftraggeber wurden in Moskau vermutet, hieß es.

Das bietet sich natürlich an, wenn der Nachbar die Krim widerrechtlich besetzt und in der Ostukraine einen Krieg verursacht, der mehr als 10.000 Menschen bereits das Leben kostete. Ganz zu schweigen vom Abschuss des MH-17 der Malayischen Airline und Moskaus multipler Verschleierungstaktik. Russland ist Aggressor. So viel steht fest. Leider muss es wiederholt werden. Andersherum wäre es einfacher, zugegeben.

Freude und Zweifel hinterließ die erfreuliche Nachricht unterdessen. Hatte es tatsächlich Mordabsichten gegeben, hinter denen der russische Geheimdienst steckte? War die dramatische Inszenierung wirklich unumgänglich, um einen Mord zu verhindern und die mutmaßlichen Täter zu überführen? Hätte man nicht andere Wege finden können? Der ukrainische Geheimdienst feierte den Fall wie einen gewaltigen Erfolg.

Bei früheren Morden an Journalisten – Pawel Scheremet 2016 und Oles Busina 2015 – konnte der SBU bislang keine echten Resultate präsentieren.

Ukrainische und russische Rechtsverdrehungen werden nicht gleich wahrgenommen und auch nicht gleich behandelt. Der Kreml erscheint immer im Vorteil.

Der mediale Großalarm, den der Mord auslöste, setzt die Aufklärer in Kiew jetzt unter noch größere Beweislast. Sie müssen Einsichten und Erkenntnisse liefern, um Zweifel von sich abzuwenden. Gewöhnlich weigern sich Agenturen, tiefere Einblicke zu gewähren. Zieht sich die Ukraine darauf zurück, wird ihr das Stigma der Unlauterkeit lange anhaften.

Damit hätten sie allen, die vor dem russischen Regime warnen, einen Bärendienst erwiesen. Nur zu gerne werden Bedenken an Kiews Vertrauenswürdigkeit zur Verteidigung Moskauer Rechtsverstöße ins Feld geführt. Ukrainische und russische Rechtsverdrehungen werden nicht gleich wahrgenommen und auch nicht gleich behandelt. Der Kreml erscheint immer im Vorteil.

Auch Babtschenkos Glaubwürdigkeit als Journalist könnte am Ende Schaden genommen haben. Vielleicht blieb ihm keine andere Wahl. Fest steht: Der Casus Babtschenko wird wie der Einmarsch der USA im Irak 2003 – wegen vermeintlicher Vernichtungswaffen – im russischen Propagandaarsenal zum festen Bestandteil „westlicher Täuschungsabsichten“.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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