Ada schreibt zum Klassenkampf

Das sozialistische „Ada Magazin“ ist seit Montag online. Die acht Redakteure wollen dort laut über eine bessere Welt nachdenken

Sieben der Redak­teure bei der Arbeit Foto: Ada Magazin

Von Jörg Wimalasena

Ach, wie romantisch! Ein sich küssendes Paar im Hochzeitsdress sitzt auf einer Mauer. Das Foto könnte das Cover eines Heile-Welt-Magazins zieren. Doch weit gefehlt. Das Bild prangt neben dem Aufmachertext des am Montag gestarteten Ada Magazins. Da geht es nicht um Kuschelkitsch, sondern um harte Gesellschaftsanalyse. Das sozialistische Online-Medium will „zeigen, was ist und was geändert werden muss“. Und genau das macht Chefredakteurin Sarah Nagel. Sie schildert, wie Hochzeitskitsch Menschen von den Härten des Arbeitsalltags ablenken soll. Statt auf den vermarktbaren Cinderella-Ehetraum solle man lieber auf die materielle Ebene schauen. Ehegattensplitting, das Frauen in Minijobs drängt. Kinderbetreuung und Haus­arbeit, die ebenfalls nach wie vor hauptsächlich von Frauen verrichtet wird, und die Ehe als heimeliger Rückzugsort gegen den immer weiter ins Private vordringenden Kapitalismus.

Ein kurzer Blick auf adamag.de zeigt, in welche Richtung es geht. Klassenkampf, Sozialismus und das laute Nachdenken über eine bessere Welt. Gast­autor Ralph Neumann analysiert die Förderung von Wohneigentum und dessen schädliche Wirkung auf den Mietmarkt und die Verdrängung Einkommensschwacher.

„Eine linke Stimme zu den aktuellen Entwicklungen“ will Ada laut Nagel sein. Eine Stimme, die auch über aktuelle Diskurse und Grenzen hinausschaut. Deshalb auch der Name Ada – türkisch für Insel. Wobei es nach Angaben der Redaktion nicht darum geht, auf der Insel zu verbleiben, sondern von dort aufzubrechen. Drei bis fünf Texte möchte man künftig wöchentlich online stellen. Finanziert wird das Projekt von privaten Spendern. Acht Redakteure arbeiten bei Ada – alle ehrenamtlich. Einige sind bei der Linkspartei aktiv.

Ada kooperiert mit dem sozialistischen US-Magazin Jacobin, das seit 2010 erscheint. Mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren gilt Jacobin als wichtigste Publikation der sozialistischen Linken in den USA und steht den Democratic Socialists of America nah. Bezeichnend für den essayistischen Journalismus des Magazins ist die konsequent materialistische Ausrichtung der Berichterstattung. Arbeitskämpfe, Ausbeutung und das Leben unter kapitalistischen Produktionsbedingungen prägen die Berichterstattung weit mehr als identitätspolitische Fragestellungen.

Es geht nicht um Kuschelkitsch, sondern um harte Gesellschafts-analyse

Auch das Ada Magazin will sich laut Nagel „mehr an materiellen Fragestellungen“ orientieren. „Ada übersetzt von Politsprech in Normaldeutsch (…) ohne komplexe Gedanken und Argumente unter den Teppich zu kehren“, heißt es auf der Homepage des neuen Magazins.

So ganz gelingt das allerdings noch nicht. Mehrere der langgezogenen Essays greifen Diskurse auf, die eher innerhalb linker Subströmungen diskutiert werden. Besonders niederschwellig ist eine Referenz zur „Zwangsläufigkeit der revolutio­nären Zuspitzung“ jedenfalls nicht. Auch stilistisch dürfte Ada nicht ganz den deutschen Lesegewohnheiten entsprechen. Ellenlange Essays über geklaute Unterhosen als Metapher für die mangelnde Bindungskraft linker Bewegungen mag den Lesegewohnheiten US-amerikanischer Jacobin-Abonenten entsprechen. Deutschen Lesern dürfte der verspielte und wenig formalisierte Schreibstil zunächst fremd vorkommen.

Doch dieser Stil könnte auch ein Erfolgsrezept für Ada sein. In Deutschland mangelt es zwar nicht an linken Publikationen – wohl aber an Texten mit unterhaltsamem und nichtdozierendem Schreibstil. Eine echte ­Lücke.